Dienstag, 27. Februar 2018

Götz Werner: Grundeinkommen ist eine Frage des Menschenbildes

Ursula Pidun / 9. März 2017 / 25 Kommentare

Götz Werner, Gründer des Drogerieunternehmens „dm“, setzt sich bereits seit langer Zeit für die Idee eines BGE ein. Welche Vorteile gibt es, wie lässt sich ein Grundeinkommen finanzieren, was ist von Hartz IV zu halten und inwiefern ist die Gesellschaft gefordert, damit sich auch politisch etwas bewegt? Wir haben nachgefragt.

„Es geht darum, dass der Einzelne bescheiden, aber menschenwürdig im Sinne des Artikels 1 unserer Verfassung leben kann. Damit ist alles erklärt. Dass die Verfassungsrechtler Hartz IV zulassen, ist ein Beweis dafür, dass sie ihre eigene Verfassung nicht anerkennen. Oder ihr begrifflich noch nicht gewachsen sind.“

*Zitat Götz W. Werner

Herr Werner, Diskussionen um die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens gibt es schon lange. Können Sie einmal zusammenfassen, welche Vorteile Sie darin sehen?

dm-Gründer Götz W. Werner (Bildquelle: dm/Alex Stiebritz)

dm-Gründer Götz W. Werner
(Bildquelle: dm/Alex Stiebritz)

Prof. Götz W. Werner: „Wesentlich ist, dass wir Arbeit und Einkommen voneinander trennen würden. Wir erliegen heute immer noch dem Irrtum, dass Einkommen die Bezahlung für Arbeit ist. Wenn wir aber genau hinschauen, müssen wir erkennen, dass ein Einkommen die Ermöglichung von Arbeit ist. Wir alle brauchen in unserer heutigen, fremdversorgten Welt ein Einkommen, um leben zu können. Erst dann können wir für andere tätig werden.“

Gegner des BGE werfen gerne die mangelnde Finanzierung in die Waagschale. Mit welchen Argumenten kontern Sie?

Werner: „Dass wir nicht vom Geld leben, sondern von den Gütern und Dienstleistungen, die wir hervorbringen. Und es kann niemand ernsthaft bezweifeln, dass wir im Überfluss an materiellen Gütern leben.

Wir waren noch nie so reich wie heute. Geld ist ein probates Hilfsmittel aber davon kann doch niemand leben. Schon der bekannte Ökonom Oswald von Nell-Breuning sagte: ‚Alles, was sich güterwirtschaftlich erstellen lässt, das lässt sich auch finanzieren – vorausgesetzt, wir haben den ehrlichen Willen dazu’. Die Frage ist, ob wir es finanzieren wollen; wenn ja, dann finden wir auch Wege.“

Als Unternehmer stehen Sie mit Ihrer Überzeugung zum BGE noch recht allein in der deutschen Wirtschaftslandschaft. Worin liegen die Gründe, dass bisher nicht viele Unternehmer mitziehen?

Werner: „Viele Unternehmer, mit denen ich spreche, wissen, dass Menschen arbeiten wollen und erkennen an, dass sie in der heutigen Gesellschaft zunächst ein Einkommen brauchen.“

Politiker melden immer wieder große Bedenken an. So auch Kanzlerin Angela Merkel, die vor der letzten Bundestagswahl im Rahmen eines Bürgerforums die Frage stellte, wer dann noch zusätzlich arbeiten wolle. Wird das Prinzip BGE nicht richtig verstanden?

Werner: Es ist eine Frage des Menschenbildes. Wenn ich Menschen frage, ob sie noch arbeiten würden, sagen alle: ‚Ja, aber die anderen nicht.’ Wenn wir von ‚den Anderen’ sprechen, meinen wir, wir müssten denen ‚die Hammelbeine langziehen’ oder ‚sie auf Trab bringen’. Merken Sie das? Wir haben zwei Menschenbilder: ein edles von uns und ein tierisches von unseren Mitmenschen. Davon sollten wir uns lösen.“

Die Kanzlerin verwies damals auf die bereits bestehende Grundsicherung, womit das sog. Hartz IV-System gemeint ist. Abgesehen davon, dass es sich hier nicht um ein bedingungsloses Einkommen handelt – wie denken Sie über die vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeführte Arbeitsmarktreform?

Werner: „Dass wir Hartz IV zulassen, ist ein Skandal. Eigentlich müsste ein Aufschrei durch die Gesellschaft gehen: Wie kann es sein, dass wir zulassen, dass ein Teil unserer Mitbürger ausgegrenzt und stigmatisiert wird? Die Verhältnisse müssen doch so sein, dass jeder eine Lebensperspektive hat.“

Das BGE würde Abhängigkeiten und staatliche Überwachung zurückdrängen, andererseits auch die Position von Arbeitnehmern stärken. Ist das eventuell der Grund der starken Abwehrhaltung?

Werner: „Unsere Gesellschaft würde sich verändern: Vom Sollen zum Wollen. Die Menschen würden sich fragen, ob es Sinn macht, was sie tun. Das ist für einige Unternehmen eine große Herausforderung. Die Verantwortlichen müssen Rahmenbedingungen schaffen, so dass die Menschen sagen, das macht Sinn, hier steige ich ein und bringe meine Talente und Fähigkeiten zur Wirkung.“

Trauen Sie der derzeitigen Regierung zu, das BGE in absehbarer Zeit einzuführen, oder bedarf es einer ganz neuen Politikergeneration, um so etwas durchzusetzen?

Werner: „Wir erwarten zu viel von unseren Politikern, die weniger Macht haben, als wir meinen. Wir haben uns an eine Opferrolle gewöhnt und schimpfen darüber. Dabei ist es doch offensichtlich, dass viele Politiker wie Segler sind. Sie spüren, wenn der Wind sich dreht, dann ändern sie den Kurs. Aber der Wind muss aus der Gesellschaft wehen.“

Was wünschen Sie sich für Ihren persönlichen „Kampf“ um die Einführung eines BGEs und wie optimistisch sind Sie, dass sich dieser Wunsch auch tatsächlich erfüllt?

Werner: „Mit Wünschen ist das so eine Sache. Als Unternehmer bin ich grundsätzlich optimistisch und ich beobachte, dass immer mehr Menschen die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen, zu ihrer persönlichen ergebnisoffenen Forschungsfrage machen. Das bringt uns voran.“



Weg mit der #Agenda2010

Quelle: via @Norbertschulze, February 27, 2018 at 12:27PM

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