Mittwoch, 14. September 2016

2tes Sozialgericht: Hartz IV Sanktionen rechtswidrig

Zweiter Paukenschlag: Sozialgericht Dresden beurteilt die Sanktionen bei Hartz IV ebenfalls als verfassungswidrig

Das Urteil aus Gotha war schon eine Sensation. Das Sozialgericht hatte einen Vorlagebeschluss gefasst, in dem die Verfassungsmäßigkeiten der Sanktionen bei Hartz IV deutlich infrage gestellt werden. Dem schließt sich nun ein das Sozialgericht Dresden an. Der Druck auf die Politik und auf das Bundesverfassungsgericht wird damit deutlich erhöht (Az: S 20 AS 1507/14).

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Im verhandelten Fall ging es um einen Hartz IV Bezieher der aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen eine Arbeitsstelle nicht antreten konnte. Das Sozialgericht Dresden urteilte, dass eine 100 % Sanktionierung rechtswidrig sei. Die Zumutbarkeit einer Arbeit mit gesundheitlichen Einschränkungen , die der Kläger nicht bekam, weil der Arbeitgeber kein Interesse an der Einstellung des Antragstellers hatte, führte dennoch zu einer Sanktion. Die vom Sozialgericht Gotha im Beschluss AZ: S 15 AS 5157/14 geäußerten Bedenken an der grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen des SGB II werden von der erkennenden Kammer geteilt. „Damit kann es offen bleiben, ob die § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 31a Abs. 1 Satz 3, § 31b SGB II wegen Verstoßes gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsgebot, Art. 20 Abs. 1 GG) Verfassungswidrig sind, wovon die Kammer überzeugt ist (vgl. im Einzelnen SG Gotha, Vorlagebeschluss vom 26. Mai 2015 – S 15 AS 5157/14 –)

Leitsätze (Quelle: Tacheles-Sozialhilfe Wuppertal)
1. Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist demnach eine Arbeit zumutbar, es sei denn, dass sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB II). Dem Antragsteller war die angebotene Arbeit zum Zeitpunkt des Zuganges des Vermittlungsvorschlages nicht zumutbar, da er zu ihr seelisch nicht in der Lage war.

2. Ferner war die Weigerung des Antragstellers, sich auf die angebotene Stelle zu bewerben, nicht kausal für die Verhinderung der Anbahnung der Arbeit. Denn der Arbeitgeber hätte kein Interesse an der Einstellung des Antragstellers aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen gehabt.

3. Die vom Sozialgericht Gotha im Beschluss vom 26.05.2015 (S 15 AS 5157/14) geäußerten Bedenken an der grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen des SGB II werden von der erkennenden Kammer geteilt, was letztendlich offen bleiben kann, weil zwischenzeitlich alle Minderungen vom SG aufgehoben worden sind.

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Es wird also spannend, ob die Politik es erst wieder zu einem Grundsatzurteil kommen lässt, dessen Paukenschlag verheerend sein wird, oder im Vorfeld versuchen wird, die Sanktionen im SGB II deutlich abzumildern.

BVerfG liegen einige Verfahren vor

Das Bundesverfassungsgericht hat nach eigenen Angaben aktuell einige Verfahren vorliegen, in denen es um Leistungskürzungen geht. Über die Verfassungsmäßigkeit derartiger Sanktionen haben die Karlsruher Richter noch nicht entschieden. In seinem Grundsatzurteil von 2010 zur Höhe der Hartz IV-Sätze hatte das Gericht dem Gesetzgeber einen «Gestaltungsspielraum» zugestanden. Vorlagen von Gerichten haben in Karlsruhe üblicherweise eine geringe Erfolgsquote.

Das Sozialgericht Gotha hält Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger für verfassungswidrig und ruft deshalb das Bundesverfassungsgericht an. Nach seinen Angaben vom 27.5.2015 wird diese Frage damit Karlsruhe erstmals von einem Sozialgericht vorgelegt. Das Gericht in Gotha sieht die Menschenwürde verletzt, wenn Leistungen gekürzt werden, weil Hartz IV-Bezieher zum Beispiel Termine nicht einhalten oder Job-Angebote ablehnen. Der Staat müsse ein menschenwürdiges Existenzminimum jederzeit garantieren. Außerdem bedeuteten Sanktionen einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit.

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Weg mit der #Agenda2010

Quelle: via @Norbertschulze, September 14, 2016 at 09:01PM

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