Donnerstag, 24. September 2015

Berlin/Köln: Eigentümerinnen wollen Protest gegen Andreas Zwangsräumung abmahnen

Privatsphäre reicher Leute wichtiger als armer Leute Lebensgrundlage…

… meinen offenbar zwei reiche Frauen — Adelheid B. und Sabine B.-H. — und leisten sich einen Anwalt, der an unseren Blog-Hoster blogsport.de einen „Notice and take-down-letter“ (englisch im Original) wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten schickte. Der Anwalt bemüht die sogenannte Störerhaftung (Info) um blogsport.de mit „gerichtlichen Schritten […], z.B. durch den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung“ zu drohen.

Worum geht es? Adelheid B. und Sabine B.-H. wohnen recht schön in Köln, haben aber auch ein Haus in Berlin-Tempelhof, Blumentahlstr. 15, geerbt. Dort wohnt seit Jahrzehnten Andrea in einer Wohnung als Mieterin. Die beiden haben mit juristischem Nachdruck die Kündigung und bevorstehende Zwangsräumung von Andrea und ihrem Sohn betrieben und wollen nun nicht, wie das öffentlich wird.

Ohne sich selbst die Finger schmutzig zu machen haben sie eine Räumungsklage gegen Andrea vor Gericht zu einem Vergleich bringen lassen, demzufolge Andrea ausziehen muss. Hätte Andrea nicht unterschrieben, wäre sie mit kürzerer Frist rausgeklagt worden. Soviel zu Freiwilligkeit, Freiheit und Gleichheit vor Gericht. Die beiden Verfügen über ein wesentliches Mittel der Lebensführung von Andrea, nämlich deren Wohnung und Andrea verfügt über weitgehend nichts gegen die die beiden reichen Frauen und ihr Anliegen eine Mieterhöhung durchzusetzen und einzutreiben.

Eine ganz alltägliche Situation also, in der in dieser Allgemeinheit die allermeisten von uns stecken.

Der Vorgang ist allerdings öffentlich geworden, eine on-line-Petition wurde gestellt, es gab Infostände in Köln, eine Mikrophonikia in Tempelhof, eine Veranstaltung in Köln, etc. Das behagt den beiden nicht, weswegen sie einen Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Burkhard R. in Köln bemühten, der sein Geld damit verdient im Auftrag zu schreiben, „dass ihr [der Eigentümerinnen] Handeln nicht von Profitstreben gelenkt ist und sie die Wohnung von Frau B. [Andrea] nicht deshalb räumen lassen werden, um einen höheren Mietzins zu erzielen.“

Wenn man nicht nur ein Miethaus, sonder auch genug Geld hat, einen Anwalt Auftragsprosa schreiben zu lassen, dann müssen sich andere — in diesem Fall blogsport.de und wir — damit auseinandersetzen, dass gerichtliche Auseinandersetzungen viel Zeit und Geld kosten, die und das wir nicht haben. Für den Fachanwalt für Medienrecht hingegen handelt es sich um ein sicheres Einkommen, die Vermieterinnen können sich das Anwaltshonorar offenbar leisten und ihr Image ist es ihnen wert.

Da spielt es zunächst gar keine Rolle mehr, dass diese Auftragslyrik inhaltlich einfach albern ist, denn warum sonst sollten die Vermieterinnen eine Mieterhöhung durchklagen und später, als die nicht gezahlten Mietrückstände sich summieren eine Räumungsklage betreiben?

Für einen Menschen, dem gerade ein elementarer Teil ihrer Lebensgrundlage, nämlich die Wohnung entzogen wird, ist es bitterer Hohn, wenn ein Fachanwalt für Medienrecht bezahlterweise schreibt: „Im Übrigen wohnt Frau B. [Andrea] in der Wohnung tatsächlich allein und nicht mit ihrem Sohn zusammen“. Der Widerspruch zu dem Umstand, dass die Vermieterinnen, die das schreiben lassen, den Sohn gerade erfolgreich aus der Wohnung geklagt haben — und daraufhin am 14.10.2015 einen Räumungstitel vollstrecken lassen wollen — ist selbst selbstverständlich nicht justiziabel. Weil der Rechtsstaat so sehr auf Freiheit und Gleichheit beruht, hat Andrea selbstverständlich das Recht ebenfalls eine Armada von Anwälten mit dem Verfassen von Unsinn über die Vermieterinnen zu beschäftigen, allein sie hat nicht das Geld dazu. Nicht nur Recht kriegen, sondern die Anwendung oder Ausübung von Rechten ist eine Geldfrage.

Wer genug Geld hat kann sich Mietrechtsprofis leisten, wie etwa die Anwältin Kirsten M., die z. B. im Fall der Sanierung der Calvinstr. 21 gerichtliche Niederlagen ihres Auftraggebers „mit sportlicher Gelassenheit“ aufnahm, eine Gelassenheit, die den Mietern hinter den Bauplanen und zugemauerten Küchenfenstern fehlen dürfte. keine Frage, Kirsten M. war ja nicht jahrelang hinter Bauplanen, ihr Küchenfenster wurde nicht zugemauert, sondern sie hat in Vertretung solcher Machenschaften gelassen Geld verdient. Sie arbeitet auch für die Vermieterinnen von Andrea.

Solche Anwälte leisten sich die beiden Vermieterinnen, die nun durch den Fachanwalt für Medienrecht argumentieren lassen, dass die Nennung ihres Wohnorts „die Privatsphäre und damit den Lebensbereich [betrifft], zu dem andere Menschen nach der sozialen Anschauung nur mit Zustimmung des [sic!] Betroffenen Zugang haben (Palandt/Sprau, a.a.O. §823, Rn 87 m.w.N.).“

„Wer das Geld hat, hat die Macht“, seine Persönlichkeitsrechte — hier die Privatsphäre — schützen zu lassen; „wer die Macht hat, hat das Recht“, die Persönlichkeitsrechte seiner MieterInnen durch ein gerichtliches Verfahren einschränken zu lassen, hier die Privatsphäre von Andrea.

Sollte Andrea am 14.10.2015 mit dem Argument, nach sozialer Anschauung hätten sie nur mit ihrer Zustimmung Zugang zu ihrer Privatsphäre [lies: Wohnung] und diese Zustimmung verweigere sie, Gerichtsvollzieherin und Polizei den Zugang zu ihrer Wohnung verweigern, wird sie wohl nur ein müdes Lächeln ernten und unter Anwendung körperlicher Gewalt aus der Wohnung gezwungen. Den Vermieterinnen mag es auch in diesem Augenblick eine Richtigstellung in der Darstellung des sozialen Gehalts ihres Handelns „am Herzen“ liegen, sie können es sich leisten.

So schaut’s aus, wenn Wohnraum Ware ist und die Ausübung, Anwendung und Durchsetzung von Rechten Geld kostet.

–> Jetzt erst recht: Kiezdemo für und mit Andrea: Freitag, 9.10., 17 Uhr, U-Kaiserin-Augusta-Str. (Tempelhof, U6)

Link zum Thema: Nach Abmahnung aktualisierter Blogpost zu Protest und Petition gegen Andreas Zwangsräumung

Weg mit der #Agenda2010

Quelle: via @Zwangsraeumungverhindern, September 24, 2015 at 12:17PM

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