Freitag, 24. Juli 2015

“Modell Deutschland”? – Bitte nicht!

Wie viel wurde schon gesagt über das Bedingungslose Grundeinkommen. Völlig zu Recht, wie ich finde, denn immerhin zählt die gerechte Verteilung unseres gemeinschaftlichen Vermögens zu einer der wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen und kann überhaupt nicht hoch genug eingeschätzt werden. Weshalb “unser” Vermögen? Nun, weil es sich ja auch um “unsere” Schulden handelt. Wieso ist das Vorteilhafte immer automatisch privat, während das Negative vergesellschaftet wird!

Tausende von zum Teil sehr guten Artikeln wurden zu diesem Thema bereits geschrieben und daher ist es völlig unnötig, dass von mir ein Eintausendunderster hinzu kommt. Neue Argument gibt es ohnehin nicht. Die Front ist erstarrt, die Schlacht zum Stellungskampf geworden und die immer gleichen Gegner beschießen einander mit immer gleichen Kugeln aus immer gleichen Kanonen. Während die Befürworter ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht nur für absolut unausweichlich und durchaus realisierbar bzw. finanzierbar halten, malen seine Gegner den Teufel bereits an die Wand und beschwören (einmal wieder) den Untergang des Abendlandes und unserer (kapitalistischen) Zivilisation herauf. Auf der einen Seite ein Elysium aus kreativen, selbstbestimmten und friedlichen Freigeistern, auf der anderen ein Sumpf aus depressiven, unproduktiven und alkoholisierten Nichtstuern und Stubenhockern.

Auskommen und Einkommen – unvereinbar
Gegenwärtig haben Auskommen und Einkommen, abgesehen vom gleichen Wortstamm, so viel miteinander zu tun, wie die Politik in Deutschland mit dem Mehrheitswillen der Bevölkerung. Zumindest wenn man Einkommen irgendwie mit Arbeit in Beziehung setzt, also mit Lohnarbeit.

Eigentlich haben auch Arbeit und Einkommen nichts mehr miteinander zu tun. Denn ein Rentner, der die Hecke neben dem Spielplatz in seinem Stadtteil ehrenamtlich schneidet, tut dies für lau. Einkommen: Pustekuchen. Ein Altenpfleger, der 45 Stunden in der Woche Schwerstarbeit leistet, tut dies nicht für lau – aber fast. Ein Investmentbanker, der mit Aktien- und Immobilienspekulationen seine Zeit verbringt, erschafft nichts und verdient Millionen, obwohl er sie nicht verdient.

Wenn Arbeit nur das ist, was man tut, um von irgendjemand Geld dafür zu bekommen, dann arbeitet auch ein Hartz-IV-Empfänger, der sich über Wochen und Monate hinweg Tag für Tag in eine völlig überflüssige Maßnahme des Jobcenters quält, um seine Bezüge nicht zu verlieren. Die meisten Angestellten im Niedriglohnbereich tun nichts anderes. Aber sie dürfen immerhin auf alle Sozialleistungsempfänger herabsehen und sich besser, gebrauchter, weil nützlicher und produktiver fühlen. Das ist durchaus so gewollt von den Mächtigen und deren medialen Helfern, die an nichts so sehr interessiert sind, als daran, die Bevölkerung zu spalten und ihre Solidarität untereinander zu unterbinden.

Hartz-IV ist auch nichts anderes als ein Grundeinkommen, nur eben ein zu geringes (gewissermaßen ein Untergrund-Einkommen). Und rechnen wir all die Menschen dazu, die von ihrer Arbeit nicht mehr leben können und auf Unterstützung durch die Gemeinschaft angewiesen sind (plus Empfänger von Rente, BAföG und Kindergeld), dann bezieht sowieso die Mehrheit in diesem Land ein Grundeinkommen – Tendenz steigend.

Das bringt mich auf den eigentlichen Gedanken, den zweiten Teil, das Revolutionäre, Unerhörte und Originelle am BGE: die Bedingungslosigkeit.

Die Bedingungslosigkeit am bedingungslosen Grundeinkommen
Nur daran kann seine Einführung scheitern – oder eben nur dadurch gelingen. Denn bedingungslos zu sein, zu fühlen und zu denken, ist eine der schwierigsten Herausforderungen, denen sich ein Mensch stellen kann. Wer ist schon wirklich bedingungslos, mich eingeschlossen?

Stellen wir nicht immer irgendeine Form von Bedingung? Ein Ultimatum im schlimmsten Fall oder nur ein geäußerter Wunsch, eine still gehegte Hoffnung. Brauchen wir nicht immer eine Bestätigung, ein Feedback, eine Belohnung für unser Tun, unsere Worte, unsere Anteilnahme? Ein Lächeln, ein Dankeschön, ein anerkennendes Nicken? Wie gekränkt sind wir, wenn uns jemand sein Wohlwollen, seine Zuneigung und Freundlichkeit versagt und wie groß ist dann das Bedürfnis, denjenigen dafür zu “bestrafen”.

Das System von “Lob und Tadel”, “Belohnen und Bestrafen”, “Verursachen und Vermeiden”, haben wir von Kindheit an gelernt und beherrschen es perfekt. Mit Bedingungslosigkeit hat das allerdings nicht das geringste zu tun. Immer wenn wir derart handeln, wirken wir aus einem Mangel heraus, aus unseren zahlreichen Verletzungen, unseren Ängsten; vor Zurückweisung, vor Verlust, vor Einsamkeit, vor Ausgrenzung.

Wir können nicht gönnen, wenn wir selbst bedürfen
Wem gewähren wir lieber etwas? Demjenigen, der uns höflich um etwas bittet oder frech von uns fordert? Demjenigen, der uns ein Kompliment macht oder Kritik übt? Demjenigen, der unsere Ansicht teilt oder widerspricht? Wir beurteilen, wer was verdient, wer berechtigt ist oder nicht. Doch wir nehmen immer uns selbst als Maßstab, das heißt wir messen an unserem Neid, unserer Missgunst oder unserem Wohlwollen. Wir können nicht gönnen, wenn wir selbst bedürfen. Wir können nicht vertrauen, wenn wir selbst in Furcht leben. Wir können nicht teilen, wenn wir selbst hungrig sind und im Mangel leben. Auch wenn dieser Mangel objektiv gesehen nur Illusion ist, so wird er doch als durchaus real empfunden. Denn es geht nicht nur um Materielles, um Dinge des Konsums, sondern meist um stärkende Gefühle wie Aufmerksamkeit, Bestätigung, Wertschätzung.

Wenn wir glücklich wären (nicht zuletzt mit uns selbst) und ein Leben in Zufriedenheit und mit Vertrauen führten, dann käme es uns gar nicht in den Sinn, furchtsam, misstrauisch und argwöhnisch nach außen zu sehen. Wer den bösartigen Einflüsterungen gewissenloser und berechnender Aufhetzer allzu leicht und schnell glaubt, der möchte dies gerne tun, weil es ihm dann besser geht, weil sie einen einfachen Grund liefern, eine angenehme Erklärung für alles, was einen tagtäglich so schlecht, so ausgeliefert, so hoffnungslos fühlen lässt. Die Mühsal, die Plackerei, das Abstrampeln bis zur Erschöpfung.

Ob Ausländer oder Arbeitslose, Rentner oder Langzeitstudenten, Alleinerziehende Mütter oder streikende Arbeitnehmer, jeder prügelt aus Leibeskräften auf den anderen ein im festen Glauben, der sei an allem Schuld. Die wahren Fädenzieher stehen daneben und reiben sich die Hände. So lange, bis die Behauptungen der Demagogen und Volksverhetzer sich als Wahrheit in den Köpfen der frustrierten und verunsicherten Menschen eingenistet und festgesetzt haben.

“Aufschwung durch Wachstum”, “Sozial ist, was Arbeit schafft” und “Wenn es der Wirtschaft gut geht, dann auch der Bevölkerung” sind zum Beispiel solche “Wahrheiten”, mit der die Menschen in diesem Land über so viele Jahre konstant beschallt wurden, bis eine ganze Generation in dem Glauben aufgewachsen ist, dass daran irgend etwas Wahres sein müsse – ähnlich bei Plattitüden, wie “der faule Grieche”, der “fleißige Deutsche” der “muslimische Terrorist” oder “Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr”, ” Morgenstund hat Gold im Mund”, bla bla bla…

Falsche Glaubenssätze und Konditionierungen
Nach nichts sehnen wir uns so sehr, wie nach bedingungsloser Liebe – und nichts erfahren wir gleichzeitig so selten in unserem Leben. Das ist das Dilemma: Nur wer bedingungslos geliebt wird, kann bedingungslos lieben; nur wer Bedingungslosigkeit erfahren hat, kann bedingungslos werden.

Jeder von uns schleppt tagtäglich einen riesigen Rucksack mit falschen Glaubenssätzen und Vehaltenskonditionierungen mit sich herum. Viele Menschen gehen deshalb so verbissen und griesgrämig durchs Leben, weil dieser Rucksack so verdammt schwer ist und seine Tragegurte so schmerzhaft auf die Schultern drücken. Warum dann eigentlich nicht endlich das ganze Gepäck ablegen, möchte man fragen. Zum einen ist das Vertraute scheinbar immer willkommener, als das Unbekannte – selbst wenn es noch so unerträglich ist. Zum anderen ist es schwierig, den Rucksack abzulegen, weil es Kräfte gibt, die sich große Mühe machen, genau das zu verhindern; die uns am Liebsten für immer klein, schwach, uneinig, angepasst und ängstlich haben möchten.

Es handelt es sich dabei um die Profiteure des Systems, einer unheiligen Allianz aus Wirtschaft, Politik und Medien, die kein Interesse daran hat, dass wir unsere falschen Glaubenssätze und Konditionierungen hinterfragen; dass wir unseren Neid und unsere Missgunst überwinden, unsere Ängste und Zweifel, unser Misstrauen und unseren Mangel; die kein Interesse daran haben kann, dass wir bedingungslos sind.
Denn dann wären wir stark und unkontrollierbar, wir wären groß und souverän, einig und frei. Und es würde uns verdammt viel besser gehen!

Quelle: via @huffingtonpost.de, July 24, 2015 at 07:46AM

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