Nachdem die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit in Hartz-IV im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht ist, sieht Ralph Boes keine Berechtigung mehr, um Darlehen für sein Überleben zu bitten. Er verzichtet deshalb seit dem 1. Juli 2015 auf Abfederung der Sanktionen und will ihnen nichts mehr entgegen setzen. Dies bedeutet erneut kein Geld für Nahrungsmittel und den täglichen Bedarf. Was Tausende im Verborgenen trifft, macht Ralph Boes öffentlich.
Der Fall Ralph Boes hat seit der Veröffentlichung seines Brandbriefes im Juni 2011 eine Menge aufgewirbelt. Unter anderem ist durch seine Initiative ein Gutachten über die Verfassungswidrigkeit der Sanktionspraxis im SGBII System entstanden, welches kürzlich durch das Sozialgericht Gotha dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wurde. Damit steht erstmals die Kürzungspraxis der Jobcenter unvermittelt auf dem Prüfstand.
Das Jobcenter empfindet diese grundgesetzliche Frage als unerheblich. In seinem Antwortschreiben an Ralph Boes heißt es am 07. Mai 2015:
„Per Fax vom 20.04.2015 erklären Sie Ihr Verhalten wiederholt mit Ihrer Kritik am System des SGB II. Die Regelungen des Gesetzes verletzen Ihrer Auffassung nach die Menschenwürde und ihre Existenz sei nur begründet durch die Verfolgung der Interessen bestimmter Wirtschaftsgruppen. Sie bezeichnen ‚Hartz IV‘ als ‚Faschismus‘. Diese Gründe konnten nicht als wichtig im Sinne des SGB II anerkannt werden. Auch in den vorhandenen Unterlagen ließ sich kein wichtiger Grund erkennen.“Ralph Boes schreibt am 17. Juni 2015 an seine Freunde:
„Es sind jetzt vier Jahre, dass ich den Brandbrief veröffentlicht habe. Vier Jahre des unbedingten Einstehens für die Menschenrechte und für das Grundgesetz, drei Jahre davon leben mit Sanktionen – zweieinhalb Jahre davon mit Totalsanktion, ohne Geld für Essen, Wohnung, Krankenkasse, die ich ohne eure Hilfe nicht hätte überleben können. Das alles geht nicht spurlos an einem vorüber und unerschöpflich sind auch meine Kräfte nicht. Ich habe deshalb beschlossen, die Aktion jetzt nach Maßgabe der in ihr selbst liegenden Gesetze zu Ende zu führen. (…) D.h., ich werde jetzt “empfindlich” werden und ab sofort die Sanktionen so nehmen, wie sie jeden von uns treffen. Da ich aber weiter unbeugsam sein werde, weil meine Aufgabe ja bei weitem nicht erledigt ist und nichts weniger erlaubt ist, als der Kompromiss mit der Lüge und der Unwahrhaftigkeit, kann man sich vorstellen, was das heißt: So, wie das System veranlagt ist, werde ich bald zu Tode kommen.“Darf das Lebensrecht eines Menschen davon abhängen, ob er sich systemkonform verhält? Wie weit sind wir bereit zu gehen, wenn Menschen angeblich faul sind? In welcher Gesellschaft wollen wir leben, wenn wir verstehen, dass die Sanktionspraxis der Jobcenter allen schadet, indem sie die Gesellschaft in würdige- und unwürdige Mitglieder spaltet, die Existenzangst zum Druckmittel für Arbeit macht und den Niedriglohnsektor und die Leiharbeit ausweitet?
Ralph Boes geht es nicht um sein persönliches Wohl, sondern um eine Grundsatzfrage in unserer Gesellschaft: Gilt in Deutschland noch das, was im Grundgesetz verankert ist: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Aufgabe aller staatlichen Gewalt.“?
Inwiefern schützt der Staat den Einzelnen, indem er ihm seine Lebensgrundlage entzieht? Diese Antwort steht nun dringend aus.
Weitere Informationen: grundrechte-brandbrief.de | wir-sind-boes.de
Weg mit der #Agenda2010
Quelle: via @Ralph_Boes, July 05, 2015 at 12:21PM
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