Alte Forderung nach einem Bundesgesetz
Schon seit ihrer Gründung vor über 100 Jahren setzt sich die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) für ein gesamtschweizerisches Rahmengesetz für die Sozialhilfe ein. Auch der Berufsverband Avenir Social spricht sich für ein Rahmengesetz aus.
Die Richtlinien der SKOS verfolgen denn auch das Ziel, die Standards der Existenzsicherung in den Kantonen und Gemeinden zu harmonisieren. Weil die Richtlinien nur empfehlenden Charakter haben und für die Kantone und Gemeinden nicht verbindlich sind, gibt es bedeutende interkantonale Unterschiede. Soweit Unterschiede in der Ausgestaltung der Sozialhilfe vor allem auf regional unterschiedliche Lebenshaltungskosten Rücksicht nehmen, können sie gerechtfertigt und sinnvoll sein. Stossend sind sie jedoch, wenn sie willkürlich erscheinen oder in erster Linie dazu dienen, die Sozialhilfe möglichst unattraktiv zu gestalten, um Kosten für die Gemeinde einzusparen. Die Unterschiede führen auch zu weiteren Rechtsungleichheiten: je nach Wohnsitzkanton gelten zum Beispiel unterschiedliche Regelungen im Bereich der Verwandtenunterstützungspflicht, den frei verfügbaren Einkommen, der Rückzahlungspflicht oder im Verfahrensrecht.
Position der SKOS
Gemäss einem Positionspapier (2012) der SKOS müsste ein "Rahmengesetz Sozialhilfe" Aussagen enthalten zu: "Zielen, Grundsätzen, Anspruchsberechtigung und Voraussetzungen der Sozialhilfe, Definition des Existenzminimums, Rechten und Pflichten der Sozialhilfebeziehenden sowie zu verallgemeinerbaren Verfahrensfragen, Rechtsmitteln, Organisation und Kontrolle". Dem Bund solle eine Steuerungs- und Koordinationsfunktion zukommen. Die Sozialhilfe habe einen breiten gesellschaftlichen Integrationsauftrag. Deshalb müsse ein Rahmengesetz die gesetzliche Grundlage dafür schaffen, dass die "finanzielle, arbeitsmarktliche, soziale, gesundheitliche und bildungsbezogene Inklusion, sowohl für die Sozialhilfebeziehenden als auch für die Leistungsträger" verbindlich geregelt werde.
Im Bereich der verfahrensrechtlichen Fragen erhofft sich die SKOS, dass ein Rahmengesetz Rechtsmittel, Auflagen und Sanktionen festlegen würde. Auch die Grösse und die Führung von Sozialdiensten seien festzulegen. Denn: professionelle Strukturen seien eine unabdingbare Voraussetzung für eine effiziente und effektive Sozialhilfe. Bei der Interinstitutionellen Zusammenarbeit (IIZ) ortet sie zurzeit eine fehlende Verbindlichkeit, die mit einem Rahmengesetz beseitigt werden könne. Weiter müsse ein Rahmengesetz Fragen des Datenschutzes und Persönlichkeitssphäre regeln. Regelungen zur Verwandtenunterstützung bzw. Rückerstattungspflicht seien zu vereinheitlichen.
Bisher hatten politische Vorstösse, die im eidgenössischen Parlament ein Rahmengesetz forderten, jedoch keine Chance. Die letzte dazu eingereichte Motion der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit scheiterte im Juni 2013 im Ständerat. Das Anliegen war von den linken Parteien, der CVP, GLP, EVP und FDP unterstützt worden. Dagegen waren die SVP und die BDP. Als Gründe für die Ablehnung nannten die bürgerlichen Votanten unter anderem, die Sozialhilfe funktioniere gut, es brauche kein neues Gesetz. Ein Gesetz auf Bundesebene würde in die Autonomie der Kantone und Gemeinden eingreifen. Sie befürchteten zudem, dass mit einem Rahmengesetz eine Anpassung der Unterstützungsansätze nach oben stattfinden könnte. Die Kosten in der Sozialhilfe seien in den letzten Jahren angestiegen, nun gelte es, bremsend einzuwirken.
Im November 2013 nahm der Nationalrat aber ein Postulat an, das den Bundesrat aufforderte, in einem Bericht aufzuzeigen, "inwiefern ein Rahmengesetz für die Sozialhilfe die Mängel der heutigen Lösung beheben helfen könnte". Im Februar 2015 präsentierte der Bundesrat seinen Bericht.
Schlussfolgerungen des Bundesrates
Der Bundesrat sieht in ähnlichen Bereichen Handlungsbedarf, wie die SKOS in ihrem Positionspapier von 2012. Auch der Bundesrat erachtet die "fehlende Verbindlichkeit bei der Sozialhilfe", die er im Bericht feststellt, als "nicht mehr zeitgemäss". Zwar definiere die SKOS einen einheitlichen Orientierungsrahmen. Doch die Anerkennung der Richtlinien beruhe auf Freiwilligkeit.
Der Bundesrat befürchtet, dass die SKOS an Bedeutung verlieren könnte, weil in letzter Zeit vermehrt Gemeinden aus der SKOS ausgetreten seien und eigene Richtlinien entwickelt hätten. Die Folge davon könne sein, dass sich die Leistungen der Sozialhilfe interkantonal unkoordiniert weiterentwickelten. Dies muss nach Meinung des Bundesrates unbedingt verhindert werden.
Um dies zu verhindern, sieht der Bundesrat aber nicht ein Rahmengesetz als Lösung, da dieses politisch schwierig durchzusetzen wäre. Deshalb wurden bisher auch entsprechende Motionen und Vorstösse im Parlament abgelehnt. Auch ein Konkordat wäre nach Einschätzung des Bundesrates nur in einem langwierigen politischen Prozess zu erreichen.
In seinen abschliessenden Bemerkungen stützt sich er sich vor allem auf die Stellungnahme der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren. Diese spricht sich für Harmonisierungen, jedoch gegen ein Rahmengesetz aus. Die SODK schlägt vor, den SKOS-Richtlinien mehr Verbindlichkeit zukommen zu lassen, indem diese durch die SODK verabschiedet würden. Da die SKOS-Richtlinien zurzeit gerade revidiert werden, wäre dies eine gute Gelegenheit, um sie durch dieses Gremium verabschieden zu lassen. Auch der Gemeindeverband spricht sich gegen ein Rahmengesetz aus. Einzig die SKOS und die Städteinitiative Sozialpolitik befürworten ein Rahmengesetz. Der Bundesrat will deshalb die laufenden Entwicklungen in der Sozialhilfe weiter beobachten und sich durch die Kantone laufend über den Stand der Arbeiten informieren lassen, wie es im Bericht heisst. Er verspricht sich einiges von der laufenden Revision der SKOS-Richtlinien und ihre Verabschiedung durch die SODK [...]
Weg mit #agenda2010 und #behoerdenwillkuer
Quelle: via @Selbstbestimmung.ch, August 07, 2015 at 11:22AM
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