Solange Jobcenter und Sozialämter anstelle von Geld Lebensmittelgutscheine ausgeben, soll mit dieser Art des Tauschens eine Solidarisierung und Unterstützung geschaffen werden. Mit dem Ziel, die Selbstermächtigung des Einzelnen zu stärken, das diskriminierende Gutscheinsystem zu unterlaufen und ad Absurdum zu führen.
Auf diese kreative Weise wird einerseits den Betroffenen geholfen und andererseits kann damit das Problem öffentlich angeprangert werden.
Quelle: via @Diana Aman, August 04, 2015 at 09:17PM
Weshalb das Gutscheinsystem diskriminierend ist
Zitat Ralph Boes:
Aus folgenden Gründen will ich die Einkaufsgutscheine nicht in Anspruch nehmen:Quelle: via @Ralph Boes, August 04, 2015 at 09:17PM
1.) Es widerspricht meinem Gefühl für Würde, die Gutscheine bei meinem „Arbeits“- bzw. Sanktionsvermittler zu erbetteln:
Der Gutschein ist eine Kann-Leistung – außerhalb eines Rechtsanspruchs – und wird vom Arbeits- bzw. Sanktionsvermittler gewährt. Bei den lang anhaltenden Auseinandersetzungen, die der jetzt radikalen 100%-Sanktion vorangegangen sind, und bei denen das Amt NICHT EIN EINZIGES MAL auf meine – in vielfältiger Form vorgelegten – Gründe eingegangen ist, ist es mir unmöglich, vom Sanktionsvermittler Essensgutscheine auf seine Gnade hin zu ERBITTEN. Das käme einer unverhältnismäßigen Unterwerfung gleich.
2.) Es widerspricht meinem Gefühl für Würde, mit den Gutscheinen einkaufen zu gehen:
– Es ist äußerst stigmatisierend, an der Kasse den Gutschein vorzulegen. Schon wer Hartz IV bezieht, erst recht, wer mit dem Jobcenter im Konflikt ist, wird in der Öffentlichkeit als arbeitsunwillig, als Versager und als sozialer Abschaum abgestempelt …
– Oft wissen die Verkäufer(innen) nicht, was sie mit dem Gutschein anfangen sollen und fragen – oft auch lauthals – beim Geschäftsführer nach. Wartende Kunden äußern sich ungeduldig und abfällig.
– Viele Geschäfte lehnen den Einkaufsgutschein ab,
erstens, weil der Verkäufer zunächst kein Geld erhält und den Schein erst beim Amt einlösen muss, was mit zusätzlichen Ungewissheiten und Mühen verbunden ist,
zweitens, weil er so eine, die übrigen Kunden abschreckende „assoziale Kundschaft“ in seinen Laden zieht.
– Als „Kunde“ wird man schlecht behandelt und weiß nicht, ob ein Laden die Gutscheine annimmt. Oft muss man unverrichteter Dinge weiterziehen. Die Wanderung von Laden zu Laden stellt eine weitere Demütigung dar.
3.) Es ist unklar, was ich mit den Gutscheinen einkaufen soll:
– Bei einem Monats-Gutschein kann ich nicht Gemüse/Obst/Backwaren usw. kaufen, denn das verdirbt mir zwischendurch.
– Konserven kann ich überhaupt nicht kaufen, denn ich habe bald keinen Strom zum Kochen mehr.
– Kleine Mahlzeiten beim Döner oder Bratwurststand sind mit den Gutscheinen nicht zu bekommen.
– Die wenigen „sinnvollen“ Einkäufe: Schnaps und Zigaretten, um sie weiter zu verkaufen und damit an Bargeld zu gelangen, oder Wasserflaschen, um sie auszuleeren und so wenigstens das Pfandgeld zu erhalten, sind verboten.
– Auch der Kauf von Kaffee ist verboten.
4.) Der Einkauf wird vom Amt kontrolliert:
Hartz IV-Bezieher müssen sich bei ihren Vermittlern für ihre Einkäufe oft rechtfertigen.
5.) Es ist unklar, wie ich den Transport bewältigen soll:
– Bei einem Monatsgutschein fällt (wenn man überhaupt weiß, was man einkaufen soll) eine große Einkaufsmenge an.
– Die Läden in der unmittelbaren Nachbarschaft werde ich meiden, um meinen Ruf nicht zu zerstören. Ich weiß nicht, wie weit der nächste, den Gutschein annehmende Laden entfernt ist. Ohne Fahrzeug ist der Einkauf nicht zu transportieren.
6.) Es ist unklar, wo ich in der Obdachlosigkeit die gekaufte Ware lagern soll.
Fazit
Das Angebot der Essensgutscheine stellt nach meiner Auffassung keine Hilfe sondern eine zusätzliche Maßnahme der Erniedrigung dar. Nach außen wird der Anschein erzeugt, als würden die Menschenrechte noch geachtet. Dadurch, dass man die Gutscheine von seinem Sanktionsvermittler erbetteln muss, wird am absoluten Dead-End des gesellschaftliche Lebens aber nicht entgegenkommend die Hand geöffnet, sondern noch letztmalig eine Unterwerfung gefordert! Wenn man sich unterwirft, wird eine „Hilfe“ geleistet, die eher eine Strafe, statt einer echten Hilfe ist. Weder kann man mit den Gutscheinen einkaufen, ohne seine Würde zu Markte zu tragen, noch die Waren transportieren, lagern oder kochen. Da der SCHEIN besteht, man HÄTTE Hilfe erhalten, soll man so „sprachlos“ gemacht werden und wird, da man sie nicht nutzen kann, zusätzlich zum Versager abgestempelt.
Aus diesem Grund lehne ich die Inanspruchnahme der Einkaufsgutscheine kategorisch ab, so dass ich jetzt zum 3. Mal im Laufe eines Jahres für lange Zeit ohne Nahrung bin (November 2012: 26 Tage, April-Mai 2013: 43 Tage, seit 1. August fortlaufend).
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