Die Wirtschaftsordnung, wie sie von den meisten Menschen in westlichen Demokratien lange als richtig und gut interpretiert wurde, hat tiefe Risse bekommen.
Menschen sind verunsichert, da viele Automatismen ihre Gültigkeit verloren haben. Weder Bildung, noch Arbeit und Fleiß führen heute fast automatisch zu einem auskömmlichen Leben, geschweige denn zu Wohlstand. Dieses große gesellschaftliche Versprechen ist längst Geschichte – besonders für die junge Generation.
Die Reaktionen der etablierten westlichen Parteien – aussitzen, relativieren, leugnen – verschlimmert die Situation zusehends, schafft Wutbürger und entfesselt den Zorn der Menschen, der sich insbesondere auch in sozialen Medien entlädt.
Die politischen Antworten, die sie den Bürgern geben, sind Relikte aus dem 19. und 20. Jahrhundert, für die heutige Zeit untauglich. In Scharen wenden sich Bürger weltweit enttäuscht von dieser Demokratie ab und suchen ihr Heil in eher autokratischen Staatsformen – die mit einfachen Lösungen werben.
Der Technologie fehlt das politische Äquivalent
Ein Blick zurück in die Geschichte ist sehr hilfreich, um die tiefere Ursache unserer heutigen Sinneskrise zu verstehen; denn der aktuelle Zeitgeist aus Verunsicherung, Populismus, Radikalisierung und Zensur findet sich wiederholt in Phasen schneller technologischer Entwicklungen – tritt regelmäßig als eine typische Begleiterscheinung auf.
Zunächst gehen wir dazu 500 Jahre zurück, mitten in das Zeitalter der Reformation: Vorangegangen war die Erfindung des Buchdruckes.
Ein riesiger technologischer Sprung, der eine Medienrevolution zur Folge hatte. Menschen konnten von den Aufklärern schneller, umfassender und von der Obrigkeit weniger kontrolliert mit Informationen versorgt werden.
Das Establishment – damals Kirche und Adelsstand – waren alarmiert, reagierten mit Zensur und Kontrolle. Die Protagonisten beschuldigten sich gegenseitig der Falschaussage. Die Analogie mit der heutigen Situation ist verblüffend – wir nennen es jetzt „Fake News“.
Bis sich ein politischer Diskurs gefunden hatte, vergingen viele Jahrzehnte.
Die Industrialisierung im 19. Jahrhundert ist ein weiteres Paradebeispiel für derartige Umbrüche.
Die politische Antwort darauf – ebenfalls mit Verzögerung und vorangegangenen politischen Verwerfungen – war die Sozialdemokratie, dessen Grundgedanken die Basis für die späteren Bürgergesellschaften schafften, die einen breiten Mittelstand – und in Deutschland die soziale Marktwirtschaft – etablierte.
Von dieser Politik, die nützlich war, um den Kapitalismus des Industriezeitalters zu zähmen, kann sich die etablierte Parteienlandschaft der westlichen Welt momentan nicht befreien.
Die Krise der Demokratie ist daher, zu einem großen Teil, diesen fehlenden politischen Antworten auf die Herausforderungen der Digitalisierung geschuldet.
Sehr bemerkenswert im Übrigen, dass es stets die Technologie ist, die Gesellschaftsformen verändert – nie umgekehrt.
Dieser Zusammenhang lässt sich bis zur Frühzeit der Menschheitsentwicklung zurückverfolgen; und überlebt haben stets nur diejenigen, die am schnellsten und erfolgreichsten die neuen Fertigkeiten anwenden konnten oder allgemeiner formuliert:
Gesellschaften lebten immer nur dann friedlich und erfolgreich zusammen, wenn es ein politisches Äquivalent zu technologischen Errungenschaften gab, die sie zur Mehrung des Gemeinwohls nutzten und förderten.
Verteilungsgerechtigkeit als Kernaufgabe
Welche politischen Herausforderungen das digitale Zeitalter konkret aufwirft, lässt sich bereits heute recht gut aus den prognostizierten Veränderungen ableiten:
Eine technologisch bedingte Arbeitslosigkeit wird in den nächsten 10 bis 15 Jahren zunächst sämtliche gut automatisierbare Tätigkeiten erfassen, dann – mit der Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz – zunehmend auch kreativ und geistig sehr anspruchsvolle Berufe, wie beispielsweise Journalisten, Ärzte und Rechtsanwälte, mit voller Wucht treffen.
Allen „Maschinenstürmern“ sei an dieser Stelle gesagt: Vor dieser Entwicklung zu flüchten oder diese bremsen zu wollen, wäre außerordentlich töricht!
- Erstens lassen sich neue Technologien niemals aufhalten, sondern nur von Menschen positiv oder negativ gestalten.
- Zweitens benötigen wir die darin verborgenen Chancen, um die großen Herausforderungen, die für ein (Über-)Leben auf diesem Planeten so wichtig sind – Energie, Verkehr, Klimawandel, Umweltzerstörung – zu meistern.
- Und drittens ist die technologische Führerschaft einer freien, demokratischen Gesellschaft die beste Verteidigung gegen unliebsame Autokraten, Despoten und Diktatoren dieser Welt – denn sobald diese einen technologischen Vorsprung erreichen, werden sie diesen ganz sicher nicht zum Wohle der Menschheit einsetzen.
Tatsache ist: Intelligente Roboter werden einen großen Teil unserer heutigen Arbeit verrichten – extrem viel schneller sowie fehlerfreier – und fast unbegrenzte Produktivitätssteigerungen zulassen.
Die politische Frage nach einer Verteilungsgerechtigkeit stellt sich daher drängender denn je, und nur ein Sozialsystem, welches die Überschüsse angemessen an alle Mitglieder der Gesellschaft verteilt, wird einer weiteren gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken.
Den Begriff der Arbeit neu definieren
Die gesellschaftlichen Verwerfungen treten bereits überdeutlich hervor. Brexit, Radikalisierung und das Erstarken autokratischer Strukturen – auch die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten – sind hierbei nur Stellvertreterkonflikte; in Wirklichkeit sind es die Folgen einer ökonomischen Fehlentwicklung aufgrund fehlender demokratischer Antworten auf die digitale Revolution.
Das bestehende Wirtschaftssystem kann Menschen keine Zukunftsversprechen liefern, da es den Begriff der Arbeit mit einer menschlichen Handlung zum Broterwerb gleichsetzt – und immer mehr Menschen, die aus diesem Ökosystem herausfallen, sozial ächtet.
Der digitale Wandel definiert den Begriff der Arbeit jedoch umfassender; auch als eine von Maschinen verrichtete Tätigkeit und der daraus resultierenden Freiheit der Menschen zum Einsatz ihrer Talente und Neigungen – unabhängig von kommerziellen Erwägungen.
Ein Grundeinkommen erzwingt den notwendigen Wandel
Der von der Digitalisierung erwartete immense Profit darf nicht einigen wenigen Marktakteuren vorbehalten bleiben, während der große gesellschaftliche Rest – diesmal auch fast die gesamte Mittelschicht – leer ausgeht und verarmt.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre hier ein ideales Verteilsystem, um eine möglichst gerechte Teilhabe aller am „digitalen Gewinn“ zu gewährleisten.
Es erzwingt den bereits überfälligen Bruch mit einem geradezu anachronistischen Sozialsystem – welches Mangel verwaltet und zementiert statt Überschuss zu verteilen – und schafft Raum für zukunftsweisende Reformen.
Der vielleicht größte Vorteil eines bedingungslosen Grundeinkommens: Es ist politisch weder links noch rechts einzuordnen, denn profitieren werden so ziemlich alle Gesellschaftsgruppen – was es im positiven Sinne wahrlich populistisch macht.
Kein Wunder also, dass die Unterstützerszene gleichsam bei links- und rechtsliberalen Wirtschaftswissenschaftlern beständig wächst.
Die einen sehen den Mensch vom Zwang zur Verrichtung schlecht bezahlter Arbeit befreit, die anderen frohlocken aufgrund einer möglichen Befreiung der Unternehmen von unberechenbar steigenden Sozialversicherungsabgaben.
Mehr zum Thema: Mit dem Grundeinkommen bekomme ich weniger Geld als zuvor, trotzdem hat sich mein Leben erheblich verbessert.
Die Liste der Vorteile ist lang, wobei jeder Systemwechsel naturgemäß Chancen und Risiken mit sich bringt, die klug auszubalancieren sind.
Ein Gesellschaftsmodell, das allen Menschen einerseits eine sichere und menschenwürdige Existenzgrundlage bietet, andererseits genügend Anreize für individuelle Leistungsbereitschaft setzt, um Kreativität und Mut zu neuen Wegen zu fördern, muss in einem demokratischen Prozess ausgehandelt werden.
Mut zum Wandel statt tote Pferde reiten
Die Antworten auf das 21. Jahrhundert sind deutlich erkennbar und keine Utopie; nur fehlt es in den großen Parteien an Erkenntnis sowie mutigen Gestaltern mit Durchsetzungsstärke.
Stattdessen wird ein totes Pferd geritten – versucht, einen schon stinkenden Kadaver mit dem süßen Duft unhaltbarer Versprechen zu Rente, Steuern und Co. in das Trugbild eines knackigen Araberhengstes zu verwandeln – bis Ross und Reiter sowie die freie Gesellschaft in den Abgründen einer Radikalisierung verschwunden sind.
Mehr zum Thema: Das bedingungslose Grundeinkommen ist das beste Mittel gegen den Aufstieg der Rechten.
Das entstandene politische Vakuum füllen derzeit allein die zahlreichen Initiativen und Netzwerke, welche rund um das Grundeinkommen aktiv sind.
Da es in Deutschland Volksentscheide als Möglichkeit der direkten Demokratie nicht gibt, hat sich sogar eine Partei gegründet, um das Thema in das deutsche Parlament zu tragen.
Aus den Elementen der Freiheit, die wir heute in Deutschland bereits haben, der Teilhabe aller Bürger an den technologischen Gewinnen sowie der Fokussierung auf Bildung als zentrale staatliche Aufgabe, lässt sich eine neue Gerechtigkeit formen – eine Zukunftspolitik, die Menschen mitnimmt statt zurücklässt. So gedeiht Demokratie statt Autokratie.
Quelle: via @Huffingtonpost (Autor Jens Thaele), 12.03.2017
Weg mit der
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Quelle:
via @Retweeter, March 14, 2017 at 12:19PM