Wenn ein Hartz IV Empfänger gegen die ihm vom Jobcenter auferlegten Pflichten verstößt, muss er mit Sanktionen rechnen. Doch nicht immer sind die Leistungskürzungen gerechtfertigt. Kommt es auf Grund von zu Unrecht erteilten Sanktionen zu Mietrückständen, trägt im Falle einer Räumungsklage das Jobcenter die Kosten.
Gericht urteilt im Sinne von krankem Hartz IV Empfänger
Ein Urteil, das Hoffnung macht: Nicht immer müssen Hartz IV Empfänger für die Fehler des Jobcenters gerade stehen, das entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem Beschluss vom 26. Juni 2017. Damit gab das Gericht dem Kläger, einem psychisch kranken Mann aus dem Raum Konstanz, Recht.
Kranker Mann soll Erwerbsminderungsrente beantragen
Der Mann, der an einer chronischen Krankheit litt, wurde 2011 vom Jobcenter aufgefordert, einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu stellen. Das Jobcenter war der Ansicht, der Mann würde auf Grund seiner Krankheit die Voraussetzungen für den Bezug von Hartz IV Leistungen nicht mehr erfüllen. Der Mann verweigerte die Antragsstellung jedoch, woraufhin das Jobcenter ein Jahr später die Einleitung des Rentenverfahrens übernahm.
Jobcenter spricht Total-Sanktion aus
Im Februar 2013 strich das Jobcenter dem Mann sämtliche Hartz IV Leistungen. Die Begründung: Der Mann habe nicht ausreichend beim Rentenverfahren mitgewirkt, wodurch seine Erwerbsfähigkeit nicht hinreichend festgestellt werden konnte. Der Beschluss des Jobcenters hatte gravierende Konsequenzen. Die vollständige Kürzung seines Hartz IV Regelsatzes führte letztendlich dazu, dass der Mann seine Miete nicht mehr zahlen konnte – wenig später erhielt er wegen erheblicher Mietrückstände den Räumungsbescheid seines Vermieters.
Mann zieht vor Gericht
Das ließ der Mann allerdings nicht auf sich sitzen und zog vor das Sozialgericht (SG) Konstanz – zunächst jedoch ohne Erfolg. Das Gericht erkannte den Anspruch des Mannes auf eine Erstattung der Räumungskosten durch das Jobcenter nicht an. Die durch die Räumungsklage entstandenen Kosten
„gehörten nicht zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung, weil es sich nicht um Aufwendungen handele, die entstünden, damit eine Unterkunft bewohnt werden könne, sondern weil eine Verpflichtung aus dem Mietvertrag, nämlich die Entrichtung der fälligen Miete, nicht erfüllt worden sei“, heißt es im Urteil des SG Konstanz.
LSG spricht Recht
Doch der Mann bewies erneut Kampfgeist und zog bis vor das Landessozialgericht, um sein Recht einzuklagen – diesmal mit Erfolg! Aus Sicht der Richter in Baden-Württemberg war der Mann zum fraglichen Zeitpunkt gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 8 SGB II als erwerbsfähig anzusehen. Das Jobcenter hätte dementsprechend keine Sanktion aussprechen dürfen und muss die daraus resultierenden Kosten der Räumungsklage übernehmen.
Lesetipp: Ausführliche Informationen zur Räumungsklage auf mietrecht.de
Instanzen:
SG Konstanz, Urteil v. 19.03.2014, Az.: S 11 AS 168/14
LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 27.06.2017, Az.: L 9 AS 1742/14
Titelbild: Antonio Guillem/ shutterstock.com
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Quelle: via @Norbertschulze, March 07, 2020 at 09:18AM
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