Freitag, 24. Juli 2015

„Faul wird nur, wer keinen Sinn sieht“

Interview mit Daniel Häni in der Zeitschrift Enorm:

Die Euro-Zone ist momentan in Aufruhr. Viele Deutsche äußern die Angst, dass ihr Geld in die Finanzierung eines anderen Staates fließt. Ist da die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen richtig?

Ja, sicher. Denn das bedingungslose Grundeinkommen veranschaulicht, wie wir zusammenleben. Wir versorgen uns heute nicht mehr selbst, sondern leben von den Leistungen anderer – nicht nur innerhalb eines Landes, sondern europäisch und global. Das bedingungslose Grundeinkommen fragt: Was würdest du tun, wenn alle anderen für dich arbeiten? Und es stellt die Frage, ob es nicht klüger und effizienter wäre, wenn wir dafür sorgen, dass unsere Mitmenschen gute Arbeitsbedingungen haben. Ohne Einkommen kann niemand arbeiten. Und schlechte Arbeitsbedingungen haben in der Regel auch schlechte Produkte zur Folge. Dass nun in Deutschland gesagt wird, dass man für die Griechen zahlen müsse, ist eine miese politische Finte und basiert auf Angstmacherei und Unverständnis den wirtschaftlichen Zusammenhängen gegenüber.

Ähnliche Ängste werden auch angesichts des Grundeinkommens genannt: es fördere Faulheit, niemand würde mehr arbeiten. Glauben Sie, dass in einem solchen Klima ein Grundeinkommen überhaupt eine Chance haben kann?

Ja, unbedingt. Das bedingungslose Grundeinkommen lässt nämlich die „Verschwörungstheorie“, dass die Menschen nicht arbeiten wollen, auffliegen. Wer versteht, dass der Mensch kein faules, sondern ein tätiges Wesen ist, der hat keine Angst vor einem Grundeinkommen. Faul wird man nur, wenn man in dem, was man macht, keinen Sinn sieht. Das ist dann ein natürlicher und im Grunde gesunder Reflex gegen Sinnlosigkeit.

Sie sagen: „Das bedingungslose Grundeinkommen ist die Voraussetzung für die zukünftige Leistungsgesellschaft.“ Was soll das bedeuten?

Die ehemalige Berliner Kultursenatorin Adrienne Goehler sagt: „Kreativität ist der Rohstoff des 21. Jahrhunderts.“ Das bedingungslose Grundeinkommen ist in meinen Augen das passende gesellschaftliche Werkzeug, diesen Rohstoff zu fördern. Alles, was berechenbar ist, wird in naher Zukunft automatisiert werden. Nicht aber die Kreativität und die Fähigkeit, selber zu denken. Alles, was Maschinen nicht können, wird in Zukunft von dem Menschen gefragt sein. Keine weisungsgebundenen Arbeitsplätze, sondern selbstbestimmte Tätigkeiten werden zukünftig die Leistungen erbringen.

Wie ließe sich ein bedingungsloses Grundeinkommen überhaupt finanzieren?

Das bedingungslose Grundeinkommen ist kein zusätzliches, sondern ein grundsätzliches Einkommen. Finanziell gesehen ist es ein Nullsummenspiel. Jemand mit einem durchschnittlichen Erwerbseinkommen von 7.500 Franken hat mit Grundeinkommen nicht mehr, sein Einkommen setzt sich dann nur anders zusammen: 2.500 Franken Grundeinkommen, 5.000 Franken Erwerbseinkommen. Die Finanzierung wird sehr praktisch zu machen sein: es wird eine Grundeinkommenskasse geben, in die gleichviel rausgeht wie reinkommt. Das Kriterium der Auszahlung ist klar: bedingungslos an alle. Das Kriterium der Einzahlung wird den politischen Vorlieben gemäss zu verhandeln sein.

Und was kostet das bedingungslose Grundeinkommen?

Da hier und heute bereits alle über ein bedingtes Grundeinkommen verfügen – sonst könnten sie nicht leben -, ist die Frage nicht nach mehr Geld, sondern nach weniger Bedingungen. Neu am bedingungslosen Grundeinkommen ist die Bedingungslosigkeit der Existenz. Sie kostet nicht Geld, sondern Vertrauen. Würden wir aufgrund der Bedingungslosigkeit untätig werden, wäre das bedingungslose Grundeinkommen dauerhaft nicht finanzierbar. Die eigentliche Finanzierungsfrage lautet: Wie wird sich eine bedingungslose Existenzsicherung auf unser Tätigsein auswirken? Hände in den Sack oder richtig loslegen? Oder vielleicht auch ganz einfach das Gleiche, aber besser? Auf alle Fälle: weniger Angst und weniger Stress.

Was muss aus Ihrer Sicht passieren, dass sich eine Stadt, eine Region oder gar ein Land auf ein solches Experiment einlassen kann?

Es braucht eine Portion Mut, einen klaren Kopf und die Bereitschaft Gewohnheiten loszulassen. Am besten für die Einführung sind direktdemokratische Prozesse. Das Interessante passiert als Bewusstseinsprozess vor und während der Einführung. Ist es mal eingeführt, wird es schnell selbstverständlich sein.

Gab es für so eine Art Aha-Erlebnis, dass Sie Fan von der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens begeisternwerden ließ?

Ja. Mich interessiert schon immer, was Menschen tun, wenn Sie nicht müssen. Als ich 1990 erstmals von der Idee las, dachte ich, diese Idee nimmt die Menschen ernst und dass wir dazu könnten wir in der Schweiz eine Volksinitiative lancieren könnten. Nun stehen wir kurz vor der Volksabstimmung. Es ist keine Hauruck-Geschichte. Vielleicht braucht es mehrere Abstimmungen. Aber vielleicht kommt auch viel schneller der Zeitpunkt der Einführung. Wahrscheinlich aus pragmatischen Gründen nicht aus moralischen [...]

Der Beitrag „Faul wird nur, wer keinen Sinn sieht“ erschien zuerst auf Grundeinkommen.ch.


Weg mit der #Agenda2010

Quelle: via @Grundeinkommen.ch, July 24, 2015 at 01:03PM

Feed abonnieren – Autoren Michael, Hoelderlin, Anita, Ralph ...