Wer auf dem Campingplatz „Zum Katzenstein“ im Westerwald lebt, ist meist nicht freiwillig dort: Das örtliche Jobcenter schickt Menschen ohne Unterkunft hierher – darunter alte und kranke Menschen. Der Grund: In der Stadt sind richtige Wohnungen knapp und teuer.
Johann Schulz lebt auf dem Campingplatz „Zum Katzenstein“ im Westerwald. Sein Kaffeewasser holt sich der 84-Jährige mit Flaschen aus Waschräumen – eine beschwerliche Aufgabe, gerade im Winter. Doch es gibt keine Alternative. „Die Leitungen liegen kreuz und quer über den ganzen Platz. Da friert das ja ein“, erklärte er in der ZDF-Sendung „Frontal 21“.
Schulz war Schlosser, erhält zur Rente einen Grundsicherungszuschuss – und kommt so auf insgesamt 632 Euro. Viel zu wenig für eine Wohnung. Also lebt er im Campingwagen, schon seit 20 Jahren. 250 Euro Miete zahlt er dafür, plus Strom. So wie 30 andere Dauermieter. „Wir haben eine Menge Leute auf dem Platz, die alle auf Wohnungssuche sind, die alle keine Wohnung haben“, sagt Schulz.
Jeder Dritte von ihnen bekommt Hartz IV oder Grundsicherung. In drei Kilometern Entfernung liegt die Stadt Westerburg – doch dort ist bezahlbarer Wohnraum knapp. Deshalb empfiehlt das Jobcenter vor Ort seinen „Kunden“ ganz offiziell, sich beim Campingplatzbetreiber zu melden.
Kein fließend Wasser, Eimer als Toilette
Aus der gesamten Region kommen Menschen zu ihm und bitten um einen Platz. Das Jobcenter zahlt die Miete und einen Teil der Umlagen – und ist damit aus dem Schneider. „Ich bin quasi der Letzte, der dann hier die Leute an der Backe hat, um zu gucken, die Leute wieder auf den richtigen Weg zu bringen oder sie loszuwerden“, sagt der Betreiber.
„Das darf es einfach nicht geben in unserem reichen Land“
„Das ist einfach menschenunwürdig“, sagt Jessica Hill vom Verein „Menschenwürdige Grundsicherung“. „Menschen dort abzustellen und zu vergessen – und dann auch noch so weit weg von der Infrastruktur – das darf es einfach nicht geben in unserem reichen Land.“
Einmal erhielt Schulz vom Amt eine Betreuerin zugeordnet. Sie besorgte ihm eine Unterkunft. Doch dort war es nicht viel besser: Alle 30 Minuten musste er zum Heizen Holz in einen Ofen schichten.
Enge und steile Treppe führte zur Toilette
Schlafen sollte er im selben Zimmer wie der Vermieter. Und wenn er auf die Toilette musste, wartete auf ihn eine enge und steile Treppe nach unten – ein Ding der Unmöglichkeit für den alten Mann.
„Die Betreuerin hat gesagt: Der braucht einen Eimer mit Deckel“, erzählt Schulz den Reportern und schnäuzt sich die Nase. „Da hat sie mir einen Eimer mit Deckel besorgt.“ Genau wie auf dem Campingplatz – auf den er nach drei Wochen zurückkehrte.
Dabei war er nicht der einzige Bedürftige, der ins das Haus geschickt wurde: Katrin Beeker lebt dort bis heute. Mehr kann sie sich nicht leisten, muss mit 680 Euro im Monat auskommen, weil sie nach dem Tod ihres Mannes die Raten für ihr Haus nicht mehr bezahlen konnte.
„Die Behörden hier haben definitiv versagt“
„Es gibt keine Heizung im Haus“, klagt sie. Außerdem befindet es sich mitten in einem Loch des Mobilfunknetzes. „Handy ist hier zwecklos – es gibt keinen Empfang“, sagt Beeker. Und die Dusche? Hat nur kaltes Wasser.
Jessica Hill hat sich in ihrer Sorge um die Menschen vom Campingplatz beim Amt beschwert und auch ans Amtsgericht gewandt – vergeblich. „Die Behörden hier haben definitiv versagt“, sagt sie. „Es wurde nicht geholfen.“
„Irgendwann ist mal Schicht im Schacht“
Stattdessen helfen sich die Menschen auf dem Campingplatz gegenseitig – seien es Fahrten zum Arzt oder der Austausch von Gasflaschen. „Aber irgendwann ist bei so einer Lebenssituation mal Schicht im Schacht“, sagt ein Nachbar, der selber als Arbeitslosengeld-Empfänger auf dem Campingplatz haust.
Und was sagen die Behörden zu der Situation?
Bürgermeister und Verbandsgemeinde fühlen sich laut „Frontal 21“ nicht zuständig. Die Kreisverwaltung wiederum erklärte, es gebe „in unserer Gesellschaft Menschen, die sich selbstbestimmt gerade für eine solche Wohn- und Lebensform im Einklang mit der Natur bewusst entscheiden und eine dauerhafte feste Behausung ablehnen.“ Für Menschen wie Schulz muss das wie Spott klingen.
Weg mit der #Agenda2010
Quelle: via @Norbertschulze, March 22, 2019 at 11:37PM
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