Offener Brief an Stephan von Dassel (Bezirksbürgermeister Berlin Mitte) wegen der menschenverachtenden Räumung eines Wohnungslosencamps
Sehr geehrter Herr von Dassel**,
ich lese gerade mit größtem Erschrecken:
http://www.taz.de/!5563998/?fbclid=IwAR1p1Sybqddtz8BPbyFhF2NR1HA5IYY9-laB14u9zHXJNnyeZqQ21jMWGtk
davon, dass eine „Wohnungslose gefesselt wurde und ihr Hab und Gut vom Müllauto entsorgt wurde“***
Herr von Dassel – bitte kommen Sie vor das rote Rathaus in der Zeit zwischen dem 23. und 25. Januar zur Mahnwache der Wohnungs- und Obdachlosen und anderen Menschen, die ein Recht auf Wohnen einfordern – als Menschenrecht! Für dessen Umsetzung sind Sie als Bezirksbürgermeister mitverantwortlich.
Wohnen ist ein Menschenrecht (allgemeine Erklärung der Menschenrechte), im Artikel 28 der Berliner Verfassung ist es vorhanden, aber im GG fehlt es (noch).
Viele Menschen wollen (unterlegt mit unterschiedlichsten Argumentationsketten), dass es umgesetzt wird – und vor allem, dass es dabei NICHT so ausgelegt wird, dass man Menschen in „Hilfsstrukturen“ und damit „Dankbarkeits- und Almosenverhältnisse“ zwingt, wo es sich doch explizit um ein Menschenrecht handelt!
Wissen Sie, es gibt etliche Menschen, die wollen nicht erst in einer „Bevormundungsstruktur landen“, um ihr Grundrecht auf Wohnen verwirklicht zu bekommen! Polizei und Justiz, die sich den Menschenrechten als oberstes verpflichten, müssten in ALLE Richtungen ermitteln und abwägen – „schöner Anblick“ und „blütenreine Flächen für Investoren und Touristen“, „Ruhestörung“ usw. sind alle NACHRANGIG nach dem grundsätzlichen Recht eines jeden Menschen, sich eine Bleibe zu schaffen, wie das Menschen seit Jahrtausenden machen und sich ein Dach über dem Kopf aus den ihnen zugänglichen Mitteln herstellen oder Freiräume beziehen.
Geben Sie Leerstand frei, in dem Menschen wie die Zwangsgeräumten im o.g. Zeitungsartikel, freibestimmt sich einrichten können – nehmen Sie „Alternativlosigkeiten“ weg, dass Berliner auf der Straße sein MÜSSEN, statt den Aufenthalt oder das Campen auf der Straße (rechtspositivistischen Normen folgend) zu verbieten!
Menschen, die aus dem Wirtschaftsgemeinschaftsgefüge herausfallen oder gar bewusst heraustreten, sind deswegen a priori weder psychisch krank noch kriminell.
Es ist beschämend zu sehen, wie mit Wohnungslosen umgegangen wird!
Jeder Mensch kann unter der ständigen Forderung, Geld für die Miete ranzuschaffen, seine Wohnung verlieren!
Wenn ich einem Menschen, der eine Zwangsräumung bereits erlebt hat, selber nicht helfen kann, zerstöre ich nicht das bisschen, was er noch hat – nur um ihn zu zwingen, sich staatlicher Bevormundung und dem Bedürfnis nach „Ordnung“ einer (hypothetischen) Allgemeinheit zu beugen!
„Wohltätigkeit“, lieber Herr von Dassel, ist nicht nur laut Pestalozzi „das Ersäufen des Rechts im Mistloch der Gnade“!
Menschen, die sich „freibestimmt auf Gottes Erde“ ohne den nötigen Mammon und ohne geeignete Solidarität ihrer Mitmenschen eine eigene Bleibe errichten, einfach räumen? Die Sachen mit dem Müllauto wegfahren? „Damit alles wieder schön ordentlich ist?“ Das verurteile ich auf´s Schärfte!
Es wäre nur ein kleiner Schritt weiter in diese Richtung, jetzt auch Menschen mit Baggern abzutransportieren wie in dem Horrorfilm Soylent Green gezeigt – gruselt Sie das nicht selber wohin sich das hier entwickeln könnte?!
Dabei haben wir hier das gesetzliche Rüstzeug und auch die Gegebenheiten, das „existenzielle Menschenrecht auf Wohnen“ ohne Spekulation, Mietschuldknechtschaft usw. einzuführen – und zwar
begonnen bei denen, die derzeit keine Bleibe haben!
Das „Recht auf Wohnen“ schließlich im GG zu verankern – anstelle des Artikels 59 Abs.2 GG, der auf die Güte und Gnade der amtierenden Bundesregierung setzt anstelle von internationalem Menschenrecht oder auch progressivem Landesrecht in der Praxis Gebrauch zu machen – wird
von der Wohnungslosen Dietlind Schmidt in dieser Petition gefordert:
Lieber Herr von Dassel, so appellieren (oft leider erfolglos) manche Mieter*innen an die Besitzenden und die Politik: „Bitte steigert die Miete nicht ständig, damit wir armen Geringverdienenden und Sozialleistungsbeziehenden, hier leben dürfen und nicht nach Marzahn oder Brandenburg verdrängt werden…“
wohingegen es auch andere Äußerungen gibt: „Hiermit kündige ich meinem Vermieter den Grund und Boden wegen Eigenbedarf,“ von emanzipierten Menschen, die sich nicht in Strukturen
von Bevormundung und Gnädigkeit pressen lassen.
Ich habe weniger Angst vor autonom und autark auftretenden Menschen jeglicher Herkunft, die als „Kinder dieser Erde“ für ihren EIGENBEDARF (ergo nicht für Spekulations- und Kapitalobjekte) ein freies Fleckchen nutzen, als vor der Art, wie mit allem, „was nicht ins Bild passt“ verfahren wird!
Der von Frau Schmidt im Rahmen ihrer Petition bezeichnete „Rechtspositivismus“ ist auch in meiner Ansicht eine der schlimmsten Handlungsformen, die Menschen (in hierarchischen Konstruktionen)
entwickeln können.
Rechtspositivismus bedeutet: „Der Mensch ist für das Gesetz gemacht, dem Gesetz Untertan“, anstatt „das Gesetz ist eine Erfindung zum besseren Zusammenleben unter den Menschen/eine Stütze und Hilfe, statt ein Herrschaftsinstrument“.
Gebieten Sie dem menschenverachtenden „Entsorgen“ von Existenzen selber Einhalt – kommen Sie und LERNEN SIE DIESE MENSCHEN KENNEN – lernen Sie VAGABUNDEN kennen!
Dazu müssen Sie nicht erst auf den großen Kongress der Vagabunden im Jahr 2020 warten, sondern können schon jetzt vom Mi, 23. Jan. bis Fr. 25. Jan. vor das rote Rathaus kommen.
In dem Sinne mit ernstem aber mitmenschlichem Gruß
FriGGa Wendt
***
„Kurz nach der Räumung hatte Dassel, den Einsatzkräften des Ordnungsamtes, der Polizei und der Stadtreinigung für ihr „umsichtiges und engagiertes Handeln zur Wiederherstellung akzeptabler Zustände auch an diesem Ort“ gedankt. Er hoffe, dass das „konsequente Handeln des Bezirksamts dazu beiträgt, dass obdachlose Menschen die vorhandenen Hilfen annehmen“.“ – taz
Sehr geehrter
Bezirksbürgermeister Herr Stephan von Dassel,
sich in den Medien wie der Taz über die Räumung von Wohnungslosen dankbar „für die Wiederherstellung akzeptabler Zustände“ bei Ordnungsamt, Stadtreinigung und Polizei bedankt habender sowie die Hoffnung geäußert habender „dass konsequentes Handeln des Bezirksamtes dazu beiträgt, dass obdachlose Menschen die vorhandenen Hilfen annehmen“
Mahnwache von Menschen ohne Wohnung und anderen:
Wohnen ist ein Menschenrecht und muss ins Grundgesetz!
23. Januar ab 17 Uhr durchgehend bis 25. Januar 23:59
mit offenem Mikro und vielen Beteiligten
vor dem roten Rathaus!
http://bewerbungstrainingfuerdenbundestag.blogspot.com/2019/01/offener-brief-stephan-von-dassel.html
Weg mit der #Agenda2010
Quelle: via @Norbertschulze, January 22, 2019 at 01:26AM
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