Freitag, 19. Juni 2015

IWF bereitet Raubzug auf Sparer vor

Vor dem nächsten Monster-Crash: Wie sich Regierungen und Finanzindustrie auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung retten wollen.

Die Zahl der Superlative auf dem Finanzsektor nimmt fast täglich zu. Ob es um die Stände an Aktien-, Anleihen- oder Immobilienmärkte geht, die Höhe der globalen Staatsverschuldung, die Menge künstlich geschaffenen Geldes oder das inzwischen unter Null gedrückte Niveau von Niedrigzinsen – die Finanzwelt eilt von einem Extrem zum nächsten.


Die Frage, ob der nächste Crash bei derartiger Überhitzung noch aufzuhalten ist, beantwortet die Geschichte: Die Welt hat bereits mehrmals (zuletzt 1998 und 2008) am Rande des Finanzkollapses gestanden. Jedes Mal haben Politiker versprochen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen und die Finanzindustrie in ihre Schranken zu weisen. Jedes Mal haben sie nicht nur ihr Wort gebrochen, sondern anschliessend sogar mitgeholfen, die Entwicklung weiter voranzutreiben und die Welt auf direktem Weg in den nächsten Zusammenbruch zu treiben.

Der Siegeszug des Neoliberalismus
Auch wenn niemand voraussagen kann, wann es zum nächsten Crash kommt, steht doch eines fest: Die Politik wird ihn nicht aufhalten. Sie könnte das auch gar nicht, denn spätestens seit der Jahrtausendwende wird der Lauf der Dinge nicht mehr von der Realwirtschaft in Zusammenarbeit mit der Politik, sondern allein von den Interessen der Finanzindustrie bestimmt.

Hintergrund ist der Siegeszug des Neoliberalismus, der in den Siebzigerjahren Einzug in die globale Politik gehalten und sie in den Neunzigerjahren vollständig unter seine Kontrolle gebracht hat. Die Liberalisierung der Kapitalmärkte, die Deregulierung des Finanzsystems und die Privatisierung ehemals staatlicher Wirtschaftsbereiche haben dafür gesorgt, dass sich der Finanzsektor, früher ein wichtiger Teil der Realwirtschaft, von ihr abkoppeln konnte und mittlerweile ein unkontrolliertes Eigenleben führt, das allgemein unter dem Namen «die Finanzmärkte» bekannt ist.

Diese Finanzmärkte, inzwischen sieben bis zehn Mal so gross wie die Realwirtschaft, werden von einer winzigen Gruppe von ca. 2500 Milliardären beherrscht. Während sie als Investoren von Hedgefonds, Banken, Versicherungen und transnationalen Konzernen bis auf wenige Ausnahmen im Verborgenen bleiben, sorgen hochbezahlte Manager dafür, dass ihr Vermögen unablässig wächst.

Politik im Dienste der Finanz-Elite
Politikern fallen in diesem Szenario drei Rollen zu: Die erste ist die des Vermittlers, der der Bevölkerung die Massnahmen, die der Finanzelite nützen und den Menschen schaden, als notwendig und unumgänglich zu verkaufen hat – der zum Beispiel arbeitslosen Jugendlichen und am Existenzminimum lebenden Rentnern klarmachen muss, dass es zu ihrem Vorteil ist, wenn sie die Gürtel zugunsten der Staatsfinanzen enger schnallen, während milliardenschwere Spekulanten ihre Gewinne unbehelligt in Offshore-Steuerparadiesen horten.

Die zweite Aufgabe der Politik besteht darin, alle rechtlichen und gesellschaftlichen Hindernisse, die den Interessen der Finanzelite entgegenstehen, aus dem Weg zu räumen. Meilensteine dieser Entwicklung waren u.a. die Abschaffung des Trennbankensystems (es schützte Einleger, indem es hochriskante Geschäfte mit ihren Geldern verbot), die Rettung bankrotter Banken mit Hilfe öffentlicher Gelder und die Nicht-Verfolgung krimineller Banker sowie Spekulanten.

Die dritte – und seit einiger Zeit vordringlichste – Aufgabe der Politik ist es, ein Instrumentarium zu schaffen, mit dem auch die Kosten der nächsten Krise soweit wie irgend möglich auf die arbeitende Bevölkerung abgewälzt werden können. Zu diesem Zweck sind nach 2008 Austeritätsprogramme geschaffen worden, mit denen Renten und Mindestlöhne gesenkt, der Arbeitsmarkt «flexibilisiert», Steuern erhöht und staatliche Bedienstete zu Hunderttausenden entlassen worden sind. Mit welcher Härte hierbei vorgegangen wurde, zeigt das Beispiel Griechenlands, wo nach sechs Austeritätsrunden jeder zweite Jugendliche ohne Arbeit ist und eine Million Rentner seit über einem Jahr von weniger als 500 Euro im Monat leben müssen.

Griff nach Spareinlagen und Vermögen
Ein zweites Instrument ist der unter dem Vorwand, die Banken seien «too big to fail», geschaffene Bail-out – die Rettung privater Banken mit öffentlichen Geldern. Da Bail-outs aber riesige Löcher in die Staatshaushalte gerissen haben und angesichts des zu erwartenden Finanzbedarfs im Fall des kommenden Crashs nicht ausreichen werden, haben Politiker die vergangenen zwei Jahre genutzt, um ein 2012 vom IWF vorgeschlagenes neues Instrument gesetzlich zu verankern: den Bail-in. Dieses bereits auf Zypern erfolgreich erprobte Mittel wird offiziell als «Entlastung der Steuerzahler» verkauft. Wer aber meint, damit werde die Finanzindustrie endlich zur Verantwortung gezogen, sollte genauer hinschauen: Es sind in erster Linie «nachrangige Gläubiger», die zur Deckung der Verluste herangezogen werden. Darunter fallen nach der EU-Richtlinie vom 1. August 2013 nicht nur Teile der Aktionäre, sondern auch alle Bankkunden mit «berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten» und in letzter Instanz auch «nicht gesicherte Einlagen von natürlichen Personen oder kleinen und mittleren Unternehmen». Nicht zur Kasse gebeten werden dagegen vorrangige Gläubiger wie Banken, Behörden oder Finanzorganisationen, womit sich die Finanzindustrie einmal mehr selbst schützt.

Wer ausserdem glaubt, dass die Einlagensicherung für Einlagen unter 100’000 Euro doch zumindest für den Mittelstand eine gewisse Sicherheit bietet, sollte den Blick nach Österreich wenden. Dort ist genau diese staatliche Einlagensicherung zum 1. Juli 2015 gekippt worden. Bisher garantierten die Banken für die ersten 50’000 Euro, der Staat übernahm weitere 50’000 Euro. Damit ist ab dem 1. Juli in Österreich Schluss, d.h. der Einleger ginge im Falle einer Bankenpleite leer aus – eine Massnahme, die man getrost als Testballon für die gesamte Eurozone ansehen kann.

Auch für den Fall, dass die Bail-in-Lösung nicht ausreichen sollte (weil möglicherweise zu viele Anleger ihr Geld rechtzeitig von der Bank abheben), hat der IWF bereits gedanklich vorgesorgt: In seiner Publikation «Taxing Times» («Zeit für Steuern») vom Oktober 2013 schlägt die mächtigste Finanzorganisation der Welt eine «einmalige Vermögensabgabe – eine einmalige Steuer auf Privatvermögen» vor, ein Generalangriff vor allem auf die Mittelschicht, die ihre Vermögen nicht wie die Ultrareichen in Stiftungen oder Steuerparadiesen verstecken und so dem Zugriff des Staates entziehen kann.

Schleichende Enteignung der Bürger
Damit nicht genug. Um den Betroffenen jede Möglichkeit zu nehmen, sich vor einer Enteignung durch Bail-in oder einmalige Vermögensabgabe zu schützen, arbeiten Politik und Mainstream-Medien derzeit mit Hochdruck daran, die Bevölkerung auf eine weitere – überaus wichtige – Massnahme einzustimmen: Die Abschaffung des Bargeldes. Unter dem Vorwand, «Transparenz» zu schaffen, Finanztransaktionen zu erleichtern und Geldwäsche zu verhindern, wird den Menschen eingeredet, dass es in ihrem Sinne wäre, auf die Zahlung mit Bargeld zu verzichten. Wahre Absicht ist einzig und allein, dem Staat auf diese Weise Zugriff auf das gesamte Vermögen der arbeitenden und steuerzahlenden Bevölkerung zu verschaffen, damit er diese im Falle eines Crashs in angemessener Höhe enteignen kann.

Sollte auch das nicht ausreichen, steht den Zentralbanken in Zukunft ein bereits in der jüngeren Vergangenheit exzessiv angewandtes weiteres Mittel zur Verfügung: das Drucken von Geld. Seit der Krise von 2008 sind bereits Billionen von US-Dollar, Yen (schon seit 2001) und Euro aus dem Nichts geschaffen und der Finanzelite zu Nahe-Null-Zinsen zur Aufhellung von Bilanzen und zur Spekulation an den Finanzmärkten zur Verfügung gestellt worden. Weil sich die daraus resultierende Inflation im Wesentlichen an den Anleihen-, Aktien- und Immobilienmärkten und nur zu einem geringen Teil in der Realwirtschaft niedergeschlagen hat, ist die schleichende Enteignung (und um nichts anderes handelt es sich beim Drucken von Geld) den meisten Menschen bisher entgangen.

Das wird aber nicht auf Dauer so bleiben, aber auch für diesen Fall werden bereits Vorkehrungen getroffen: Mit der für den Oktober geplanten Aufnahme des chinesischen Yuan in den Korb seiner Sonderziehungsrechte (SZR) bereitet der IWF sich darauf vor, im Extremfall mit seiner eigenen Währung ins internationale Geschehen einzugreifen. Es wäre nicht das erste Mal: Von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkt, hat der IWF nach zwei Eingriffen zu Beginn und am Ende der Siebziger im Jahr 2009 mit umgerechnet etwa 300 Milliarden Dollar massgeblich zur Stabilisierung des globalen Finanzsystems beigetragen.

Da SZR nicht als Geld in Umlauf gebracht, sondern nur als Zahlungsmittel zwischen Staaten gehandelt werden, brächten sie im Krisenfall zwei grosse Vorteile für die beteiligten Regierungen mit sich: Ihr Einsatz würde von der Öffentlichkeit kaum bemerkt werden, die inflationären Folgen des Gelddruckens würden sich erst mit Verzögerung und dann gleichzeitig auf alle fünf im Währungskorb beteiligten Währungen auswirken. Das wiederum würde die schleichende Enteignung der Bürger nicht wie das Ergebnis der Politik einer Regierung, sondern – zur Freude der Finanzindustrie – wie ein alle und jeden betreffendes Naturereignis erscheinen lassen.

Marodes System wird am Leben gehalten
Wie man sieht, gehen Regierungen und IWF den bevorstehenden Turbulenzen keineswegs unvorbereitet entgegen, sondern wappnen sich unter Hochdruck auf die kommenden Ereignisse. Dabei ist sämtlichen Massnahmen – vom Bail-in über die Vermögensabgabe und die Abschaffung von Bargeld bis hin zur Schaffung einer künstlichen Weltwährung – eines gemeinsam: Sie lösen keines der Grundprobleme unserer Zeit, sondern dienen ausschliesslich dazu, Zeit zu gewinnen und ein System am Leben zu erhalten, das die Interessen einer winzigen Elite bedient, den Lebensstandard der überwiegenden Mehrheit auf Dauer senkt und die Welt damit ungleicher, ungerechter sowie unsozialer macht[...]

Quelle: via @Infosperber.ch, June 19, 2015 at 06:19PM


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