Arbeitsagentur: Flüchtlinge und Hartz-IV-Bezieher werden um Jobs konkurrieren. Politik und Wirtschaft fordern noch härtere Gangart
Weniger Rechte, mehr Repressionen: Die Politik bereitet sich auf wachsende Verteilungskämpfe »ganz unten« vor. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) rechnet mit 350.000 Flüchtlingen, die 2016 nach Abschluss ihres Asylverfahrens in das Hartz-IV-System rutschen und mit Langzeiterwerbslosen konkurrieren. Die Forderungen reichen von Leistungskürzungen bis hin zur neuen deutschen Billigproduktion.
BA-Vorstandsmitglied Detlef Scheele (SPD) orakelte im Interview mit der Süddeutschen Zeitung(Montagausgabe), geflüchteten Hartz-IV-Beziehern stehe »ein langwieriger Eingliederungsprozess« bevor. »Wenn es gut läuft, werden im ersten Jahr nach der Einreise vielleicht zehn Prozent eine Arbeit haben, nach fünf Jahren die Hälfte, nach 15 Jahren 70 Prozent«, so der ehemalige Sozialsenator Hamburgs. Natürlich würden sie mit anderen Hartz-IV-Beziehern um Jobs konkurrieren, erklärte Scheele. Und klassifizierte beide Gruppen, Klischees bedienend, pauschal ein: »Einheimische haben einen Sprachvorteil, Flüchtlinge punkten durch Motivation, ihr jugendliches Alter und Zielstrebigkeit«, so der BA-Vorstand.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will es repressiv angehen. In einem Gastbeitrag in derFrankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ, Montagausgabe) drohte sie »Integrationsunwilligen« vorsorglich mit Leistungskürzungen. Und beschwor den »deutschen Fleiß«, wie es Hartz-IV-Betroffene schon seit 2005 kennen: »Wer Hilfe in Anspruch nimmt, muss sein ganzes Können, seine Arbeitskraft und (…) sein eigenes Vermögen einbringen.« Wer dies nicht tue, so Nahles, »wird hier dauerhaft keine Unterstützung erhalten«. Ihrer Meinung nach gibt es in Deutschland »keinen Anspruch« auf »leistungslose« Existenzsicherung.
Das Thema Flüchtlinge beschäftigt auch die Deutsche Bank. Deren Chefökonom David Folkerts-Landau forderte bei der Vorstellung des Jahresausblicks seines Geldinstituts in London am Wochenende gar einen neuen Billiglohnsektor. Darüber berichtete Welt online am Montag. Der sei nötig, zitierte ihn das Blatt, »um die vielen tausend Flüchtlinge mit Arbeit zu versorgen«. Was er meint, sagte er auch: eine ausgedehnte »Billigproduktion in Deutschland« – unterhalb des derzeitigen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde. Es gebe »keinen Grund«, dies nicht einzuführen. So könne man, prophezeite Folkerts-Landau, im Ausland billig produzierende Firmen zurückzuholen. Er stellte klar: Flüchtlinge seien »nur durch Arbeit zu integrieren«.
Vergessen hat der Bankenökonom dabei offenbar, dass der Mindestlohn für ehemalige Hartz-IV-Bezieher, ob geflüchtet oder einheimisch, sowieso nicht gilt, zumindest im ersten halben Erwerbsarbeitsjahr. Prekäre Billigarbeit haben die Jobcenter auch auf dem Schirm, vor allem bei Leiharbeitsfirmen. Sie seien einer ihrer wichtigsten Partner und würden ausgiebig mit Eingliederungszuschüssen bedacht, kritisierte die Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Inge Hannemann (Die Linke) am Montag im Gespräch mit junge Welt. Heißt: Sie bekommen einen Teil des gezahlten Niedriglohns vom Staat erstattet. 2015 habe die BA Leiharbeitsfirmen mit neun Millionen Euro bedacht. Alleine das Unternehmen Randstad habe 7,1 Millionen davon abgefasst, so Hannemann. Das gehe aus einem ihr zugespielten internen Papier zum BA-Führungskongress am 19. und 20. Januar hervor. »Aus der Praxis in Hamburg weiß ich, dass Randstad rege direkt im Jobcenter rekrutiert.« Unter Androhung von Sanktionen würden Klienten zu diesen »Informationsveranstaltungen« bestellt. »Verhalten Betroffene sich nicht wie erwünscht, meldet Randstad das der Behörde«, resümierte sie. Dann werde die Leistung gekürzt.
Quelle: 02.02.2016: Her mit der »Billigproduktion« (Tageszeitung junge Welt)
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Quelle: via @Norbertschulze, February 02, 2016 at 03:39PM
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