Dieser Beitrag mit Titel; „Nothilfe ist unantastbar“ erschien kurz vor der BGE Abstimmung vom 05.06.2016 im Beobachter.
Welche Wirkung hinterlässt eine solche Aussage beim Leser?
Ist schnell erklärt – wer von der Sozialhilfe ausgeschlossen wird, weil er oder sie „renitent“ sein soll, bekommt ja noch Nothilfe! Das läuft im Kopf des Lesers ab – oder? Niemand in der Schweiz muss demnach auf der Strasse leben und/oder an Hunger leiden. Also weshalb sollte ich bei der BGE Abstimmung mit „Ja“ stimmen. Jeder ist ja irgendwie noch abgesichert!?
Welch Trugschluss, den uns hier der Beobachter systematisch(!) zu vermitteln versucht.
Beim genauerem Hinschauen handelt es sich bei diesem Gerichtsurteil um einen extrem seltenen Sonderfall, bei dem die Gemeinde schlichtweg stümperhaft agierte, dem Kläger daher Recht gegeben werden musste – und ihm die Gemeinde die Nothilfe schuldet.
Im Regelfall verhält es sich so, dass die Nothilfe in der Schweiz sehr wohl den Antragstellenden abgesprochen werden kann – wie den neusten Bundesgerichtsentscheiden zu entnehmen und von der EGMR bestätigt worden ist.
Fazit: die Nothilfe in der Schweiz ist antastbar! Das heisst für die Betroffenen, kein Essen, keine Essensgutscheine, keine Notunterkunft, kein Zugang zum Gesundheitssystem (..)
Originaltext des Beobachters:
„Eine Gemeinde kürzte einem Mann Sozialhilfebeiträge, weil er sich weigerte, an einem Beschäftigungsprogramm teilzunehmen. Zudem drohte sie mit gänzlicher Streichung, falls er sich weiter querstelle. Dann wies sie ihn an. in einem nicht entlöhnten Programm zu arbeiten. Er ging nicht hin, worauf die Sozialhilfe ganz gestrichen wurde.Weg mit der #Agenda2010
Der Betroffene wehrte sich. Er beantragte, die Sozialhilfe sei lediglich zu kürzen, sonst fordere er wenigstens die in der Bundesverfassung garantierte Nothilfe. Das kantonale Gericht lehnte das ab.
Auflagen sind erlaubt
Das Bundesgericht hielt erneut fest, dass das Recht auf Nothilfe nicht eingeschränkt werden darf. Wer in Not gerät und das Geld fürs Überleben nicht selber verdienen kann, hat Anspruch auf die Mittel, die für ein menschenwürdiges Dasein unerlässlich sind. Da der Mann im Beschäftigungsprogramm kein Geld verdient hätte, erfüllte er diese Voraussetzung.
Die Gemeinde müsse Nothilfe gewähren, könne aber diese Leistung grundsätzlich mit Auflagen und Weisungen unter Strafandrohung bei Ungehorsam verbinden, um renitentes Verhalten zu sanktionieren (Ursina Winkler via Beobachter)
Bundesgericht. Urteil vom 8. März 2016 (8C_455/2015)“
Quelle: via @Retweeter, June 12, 2016 at 03:21PM
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