Vor dem Amtsgericht Köthen wurde kürzlich gegen einen 26-jährigen Mann verhandelt, der während eines Beratungsgesprächs ausrastet und eine Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit auf üble Art beschimpft und bedroht.
KÖTHEN – Immer wieder kommt es auch in Köthen zu gefährlichen Zwischenfällen. Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Morddrohungen: Die Wut auf die Harz-IV-Gesetzgebung entlädt sich zunehmend in den Jobcentern und Agenturen für Arbeit. Leidtragende sind in der Regel die Sachbearbeiter.
Vor dem Amtsgericht Köthen wurde jüngst so ein Fall verhandelt. Sascha Sägefisch, 26 (alle Namen geändert), ist noch ledig, ist arbeitslos, beabsichtigt aber künftig mit seiner Freundin und den leiblichen zwei Kindern in einer gemeinsamen Wohnung zu leben.
Überraschend schnell findet er eine passende Wohnung in Köthen. Allerdings ist die Freude nicht ungetrübt: Der geborene Bernburger muss für einen kurzfristigen Wohnungswechsel bei der Agentur mindestens zwei weitere Mietangebote vorlegen. Von der Mitarbeiterin darauf angesprochen, muss Sascha Sägefisch passen.
„Sie erleben den nächsten Monat nicht“
Der gelernte Tischler rastet nun aus und beschimpft die Mitarbeiterin, nur weil diese die Mietverträge verlangt, wie es ihre Pflicht ist. Der Wutausbruch gipfelt in dem Satz: „Sie erleben den nächsten Monat nicht“, so der Vorhalt aus der Anklageschrift, die die Staatsanwältin verlas.
Sascha Sägefisch will aussagen. Bei seiner Einlassung wirkt er konzentriert und gut vorbereitet: „Ich habe das so nicht gesagt wie gerade vorgetragen. An den genauen Wortlaut kann ich mich heute ein Jahr später auch nicht mehr erinnern, aber inhaltlich sagte ich wohl: Sie kennen sich nicht aus mit Hartz IV“.
Die Staatsanwältin hakte hier sofort noch einmal ein und meinte: „Aus den Vernehmungsprotokollen der Polizei ist zu entnehmen, dass Sie an diesem Tag sehr angespannt waren und sich deshalb im Ton vergriffen hatten.“ Dabei habe die neue Wohnung wohl nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Eher sei es so gewesen, dass die verspätet eingereichten Leistungsbeantragungen dazu geführt hatten, dass Sascha und seine Familie kein Geld mehr bekommen hatten.
„Bis eine langjährige Agenturmitarbeiterin eine Anzeige bei der Polizei macht, muss schon einen ganze Menge passiert sein“, so die Staatsanwältin. „Sachlich vorgetragene Kritik müssen beiden Seiten vertragen können. Ich rate Ihnen dringend, sich bei der Mitarbeiterin zu entschuldigen, um die Sache vom Tisch zu bekommen“.
„Ich nehme die Entschuldigung an“
Weiterhin regte sie gegenüber der Richterin an, die Möglichkeiten zu prüfen, einen Ausgleich zwischen Beschuldigtem und Verletztem, den sogenannten Täter-OpferAusgleich , in die Wege zu leiten, der in diesem Stadium des Verfahrens noch möglich war.
Nachdem Liane Libelle, 53, betroffene Mitarbeiterin der Agentur, im Zeugenstand Platz genommen hatte, gab die Vorsitzende dem Angeklagten daher Gelegenheit, einige Worte an die Zeugin zu richten. Sascha Sägefisch entschuldigte sich: „Ich wollte Sie nicht persönlich angreifen oder verletzen. Es tut mir leid, wenn Sie sich durch meine Worte bedroht gefühlt haben sollten“.
Liane Libelle entgegnete Ihm darauf: „Ich hatte ihnen seinerzeit Lösungsvorschläge aufgezeigt, um die angefallenen Probleme zu bewältigen und hatte es nicht verdient, so ein Verhalten durch Sie zu erfahren“. Nach einer kurzen Atempause fuhr sie fort: „Ich nehme die Entschuldigung an“. Ein Täter-Opfer-Ausgleich konnte erreicht werden und das Verfahren wurde mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft wegen Geringfügigkeit eingestellt [...]
Weg mit der #Agenda2010
Quelle: via @Norbertschulze, November 26, 2015 at 02:32PM
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