Ursprünglich veröffentlicht auf altonabloggt:
Dass Reformen oftmals nicht unbedingt
Erleichterungen bringen, zeigte bereits die Umsetzung der Agenda 2010
und der damit versprochenen und gescheiterten Arbeitsmarktreform seit
2003. Bis heute sind rund 70 Gesetzesänderungen und Anpassungen im
Sozialgesetzbuch II eingearbeitet wurden. Und bis heute kann behauptet
werden, dass jede Änderung im Sinne der Jobcenter kreiert wurden und die
Leistungsberechtigten nach dem Arbeitslosengeld II (Hartz IV) das
Nachsehen hatten und haben. So stellen auch die sog.
„Rechtsvereinfachungen“ „Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung“ viele Veränderungen zu Gunsten
der Jobcentermitarbeiter, des Staates und kaum für die Erwerbslosen dar.
Harald Thomé (Erwerbslosenverein Tacheles Wuppertal) beschreibt es so:
(…) „Stattdessen soll das SGB II an einer Vielzahl von kleinen und großen Stellschrauben geändert, in einer Reihe von Fällen soll BSG-Rechtsprechung zurückgedreht und das Sonder- und Entrechtungsrecht weiter verfeinert und ausgebaut werden. Das vom BVerfG garantierte Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Menschenrecht wird weiter systematisch ausgehöhlt.“ (…)
Unterschiedlichste Verbände haben inzwischen eine Bewertung und Stellungnahme (siehe unten) des derzeitigen Referentenentwurfs
vom Oktober 2015 verfasst, der im Dezember weiter beraten wird und zu
Beginn des Jahres 2016 verabschiedet werden soll – sofern nichts
Außergewöhnliches oder gar eine Sinnesänderung – besonders bei der CDU /
CSU – geschieht. Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass gerade
Veränderungen, um den Sozialstaat weiter auszuhöhlen, eine hohe
Priorität besitzen. Nicht im Sinne der Menschen und deren Grundrechte,
sondern im Sinne des Lobbyismus, der Wirtschaftsverbände und der
schwarzen Null.
Dass nun die derzeitige Sanktionspraxis
und deren geplante Entschärfungen nicht mehr im Referentenentwurf
enthalten sind, zeigt auf, dass gerade die Große Koalition am
Bestrafungssystem mündiger Bürger festhält und auch in Kauf nimmt, dass
Betroffene über Monate hinweg keine Existenzgrundlage haben. Die scharfe
Kritik und Forderung zur Abschaffung der Geldkürzungen durch
Sozialverbände, Politik und Wissenschaftlern werden außer Acht gelassen.
Das ist menschenverachtend und hebelt die Grundrechte auf eine
menschenwürdige Existenz aus. Damit nimmt die Regierung billigend in
Kauf, dass Menschen ohne eine Grundlage zum Überleben, ohne einem Dach
über den Kopf, Krankenversicherungsschutz oder Lebensmittel endgültig an
den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Einzig allein die
demütigende Bittstellung für sog. Lebensmittelgutscheine in den
Jobcentern kann einen Nahrungsentzug und den Verlust der
Krankenversicherung verhindern. Es kann jedoch nicht unbedingt einen
Wohnungsverlust abwenden, wenn das Jobcentern kein Darlehen genehmigt.
Es stellt sich immer wieder auf’s Neue die Frage, mit welcher
Berechtigung der sog. „Sozialstaat“ mündige Bürger meint erziehen zu
müssen und die Jobcenter als legitimierte Behörde als Exekutive meint
auftreten zu müssen? Und immer wieder bleibt eine Antwort von vielen
Antworten, dass das Erschaffen von Angst Menschen gefügig macht. Dass
mit Angst der Niedriglohnsektor und jede Art von Tätigkeit, die darunter
ausgeübt wird, ausgebaut wird. So gibt es noch viele weitere Gründe.
Festzuhalten bleibt jedoch, dass das derzeitige System den sozialen
Frieden gefährdet und das nicht nur im Bereich des SGB II, sondern auch
im Alltag der Noch-Erwerbstätigen und deren Familien.
Stellungnahmen / Bewertungen:
Harald ThoméBundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW)
Quelle: via @Mantovan, November 14, 2015 at 05:47PM
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