Donnerstag, 12. November 2015

Ein Einkommen zur Bekämpfung der Mafia

Michele Luminati, Direktor des Schweizer Instituts, hatte zur öffentlichen Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen geladen. Die Gesprächspartner waren neben mir Cédri Wermuth, Schweizer Nationalrat, Josef Brusa, Unternehmer, Amalia Mirante, Ökonomin aus Lugano, Christoph Schaltegger, Ökonom aus Luzern, Tito Boeri, Präsident des Instituts für Soziale Sicherheit aus Rom. Ich hielt die Einführungsrede zur Volksinitiative und zum bedingungslosen Grundeinkommen in der Schweiz.

Bedingungslos und für alle, dass ist ihnen zu abstrakt. Wieso soll Berlusconi ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten? Der Konflikt ist in Italien nicht vertikal zwischen den Armen und den Reichen, sondern horizontal unter den Armen. Die sehen sich als Konkurrenten um das Wenige, was es für sie gibt. Die kämpfen gegeneinander um Jobs und irgendeinen Vorteil. Die brauchen kein Versprechen zu einem Einkommen irgendwann, keine Idee, sondern jetzt einen Gewinn für sich.

Im Sommer dieses Jahres, erzählt Gobetti, gab es eine große Koalition von an die Tausend Verbänden und Organisationen einschließlich der Katholischen Kirche gegen die Mafia. An erster Stelle ihres Manifestes stand: Ein Einkommen für die Würde! Ein Einkommen zur Bekämpfung der Mafia. Sie sprachen nicht von einem bedingungslosen Einkommen, sondern von einem Einkommen für die Würde.

Italien hat die Flexibilisierung der Märkte und Arbeitsverhältnisse mitgemacht wie alle europäischen Länder. Aber anders als zum Beispiel in Dänemark, wo Gobetti eine Zeit lang lebte, wurde der Flexibilisierung in Italien keine soziale Absicherung zur Seite gestellt. Die Leute gehen in eine Arbeit, gehen wieder raus, finden eine nächste. Dazwischen liegen Zeiten, in denen sie nichts haben. Aber die Lebenskosten gehen weiter. Das Prekariat hat massiv zugenommen. Studenten wollen von zuhause ausziehen und an einem anderen Ort studieren. Frauen verdienen in Italien noch immer viel weniger als Männer und arbeiten viel mehr. Gleichberechtigung ist ein großes Problem in Italien. Die Migranten arbeiten als Sklaven in den ländlichen Regionen. Alte Menschen, Alleinerziehende. Es sind verschiedene soziale Situationen. Aber die Frage nach einem Einkommen, sagt Gobetti, bringt sie alle zusammen. Wir, die wir für ein bedingungsloses Grundeinkommen sind, wollen da stehen, wo die Menschen sind. Ob Mindesteinkommen, Bürgergeld, was auch immer, wir können uns nicht abgrenzen und sagen, wir sprechen nicht mehr miteinander, sondern wir müssen miteinander sprechen. Auf diesem fruchtbaren Boden müssen wir miteinander sprechen! Die Leute haben offene Ohren. Wir müssen von diesem Planeten sprechen, nicht von irgendeinem anderen.

„Aber meinst Du nicht, dass gerade der Begriff der Bedingungslosigkeit eine Bewusstseinsveränderung bewirkt?“ „Doch, ja. Aber wir sprechen jetzt von der Bedingungslosigkeit der Arbeit. Das heißt, wir platzieren einen Einkommenssatz, der die Freiheit zu Wählen gibt. Libertà di chiedere. Die Freiheit zu wählen – auch deine Arbeit. Die Leute verstehen: mit einem Grundeinkommen kann ich die Arbeit wählen. Da bin ich frei. Darum sprechen wir zunächst nicht von bedingungslosem Einkommen für alle, sondern in einem ersten Schritt von der Bedingungslosigkeit für die Arbeit. Versuch die Bedeutung der Bedingungslosigkeit der Arbeit zu verstehen. Du kannst deine Arbeit frei wählen. Das ist eine große Veränderung gegenüber der geradezu sakral aufgeblähten Ideologie der Erwerbsarbeit. Und was bedeutet schon die Verbindung des Grundeinkommens mit einer Arbeit, wenn man sie frei wählen kann? Sich um die Kinder zu kümmern ist eine Arbeit, künstlerisch tätig zu sein ist eine Arbeit. Wenn jemand reist, macht er Erfahrungen, die ihn vielleicht zu mehr befähigen. Etwas zu erkunden ist eine Arbeit. Das ist die Emanzipation der Arbeit. Und die Emanzipation durch die Arbeit. Wer viele verschiedene Jobs gemacht hat, der hat auch viel Erfahrung gesammelt und Fähigkeiten entwickelt. Es kann Beratungen geben, wie er die Fähigkeiten optimal einsetzt. Es muss nicht ein Job sein, den man findet, es kann auch einer sein, den man selber schafft. Es gab eine starke Bewegung in Italien von den Frauen, deren Slogan war: «Wir haben keine Zeit zur Arbeit. Keine Zeit zur bezahlten Arbeit. Wir haben zu viel zu tun, um auch noch für Geld zu arbeiten. In der Verfassung steht: ein Recht auf Arbeit. Wir gehen den Schritt weiter und sagen: Das Recht auf Einkommen!»

Der Beitrag Ein Einkommen zur Bekämpfung der Mafia erschien zuerst auf grundeinkommen.

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Quelle: via @Grundeinkommen.ch, November 12, 2015 at 07:24PM

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