Dieses Fragerecht bezieht sich nicht nur auf Anfragen an den Bundestag, sondern ebenso auf „Kleine Schriftliche Anfrage“ oder „Große Anfrage“ in den Landesparlamenten. Es ist ein Recht, welches sich aus dem Demokratieprinzip Art. 20 und aus dem Art. 38 des Grundgesetzes herleitet. Gerade für Oppositionen ist es oftmals das einzige parlamentarische Mittel, um an Informationen zu gelangen. Stellen sie zum einen eine Informationsquelle dar, sind sie doch auch ein Mittel, um den Wählern zu zeigen, dass auch sie einer Sache nachgehen. Gerade für diese Zielgruppen, aber auch für Medien, ist damit ein Blick ins Innere einer Fraktion möglich, um deren Arbeit zu beobachten, zu bewerten und bei Bedarf zu berichten. Für die antwortende Verwaltung ist es ein Instrument, das sehr aufwändig ist. Die angefragten Informationen müssen in kurzer Zeit zusammengetragen und intern abgestimmt werden. Dabei kann es durchaus passieren, dass eine Anfrage mehrere Schreibtische passiert, bis Antworten vollständig sind.
Es stellt sich allerdings teilweise die Frage, inwiefern Anfragen von Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft durch den Senat tatsächlich ernst genommen werden. Vielleicht ist es unsinnig auf die mögliche Anzahl von Waschbären in Hamburg einzugehen. Möglich ist es auch, dass Fragen nicht beantwortet werden können, weil abgefragte Daten nicht vorhanden sind oder die Zeit für eine ausführliche Antwort zu kurz ist. Ein sehr beliebtes Frage-Antwort-Spiel scheint zu sein, dass auf Fragen mit standardisierten Textbausteinen und dem internen Duktus einer Institution reagiert wird. Dieses zeigt die Anfrage der FDP vom April 2015. Auf die Frage nach dem Betreuungsschlüssel innerhalb der Jobcenter zitiert der Senat das SGB II und verpackt alle Arbeitslosengeld-II-Leistungsberechtigte in einen Gesamtschlüssel. Eine Unterscheidung der tatsächlichen Situation in den Hamburger Jobcentern erfolgt nicht. Dieses Aufgabe hat der Personalrat selbst erledigt und verfasste einen Brandbrief über die Personalsituation und deren Arbeitsüberlastung. Es wäre für den Senat ein Leichtes gewesen, anhand einer Personalratsinfo, den tatsächlichen Schlüssel transparent aufzuzeigen. Ähnlich verhält es sich bei einer Anfrage durch die CDU vom Dezember 2015. Hier wird die Frage nach einem Bearbeitungsstau in den Hamburger Jobcentern gestellt und der Senat plump behaupte, es gäbe keinen. Ein Hamburger Anwalt berichtet aus der Praxis jedoch gegenteiliges. Wer sich mit den Mitarbeitern der Jobcenter oder den Erwerbslosen unterhält, gibt eher dem Anwalt als dem Senat Recht.
Für die Leser der Anfragen stellt es sich in dem Moment so dar, dass alles in Ordnung sei, solange er sich nicht außerhalb Informationen beschafft. Ein weiteres Beispiel ist eine von mir kürzlich erstellte Anfrage. Hier beziehe ich mich auf den Bericht im „SPIEGEL“ und die Bundesrechnungshofkritik, dass bestimmte Kundengruppen in der Vermittlung nur gering berücksichtig wurden. Dabei nahm ich als Grundlage das sogenannte Kundenkontaktdichtekonzept der Hamburger Agentur für Arbeit. Die Antwort des Senats fällt knapp aus, da sie der Ansicht sind, dass diese Anfrage alle bundesweiten Agenturen für Arbeit und Jobcenter betreffen.
Da sich mein Abgeordnetenstatus in Hamburg befindet, kann der Senat davon ausgehen, dass sich die Fragen auf Institutionen vor Ort beziehen. Schachmatt? Fast egal. Wären da nicht die politisch Interessierten und Politikerinnen und Politiker, die gerne mehr Informationen hätten. Ein weiteres Agieren bleibt so aus. Geht es eben zum einen um transparente Informationen für die Interessierten und deren offenen Fragen, geht es aber auch um eine Beschneidung eines parlamentarischen Instrumentes. Nun könnte ich mich elegant und entspannt zurücklehnen, da ja ein Bruchteil meines Aufgabengebietes erledigt ist. Und vielleicht geht es genau darum. Flapsige, mangelnde, falsche oder gar ganz fehlende Antworten können demotivieren oder z.T. unzählige Nachfragen mit sich bringen. Das liegt im Ermessen, vorhandene Zeit oder Hartnäckigkeit der Abgeordneten. Unter dem Aspekt, dass Anfragen ein legitimes demokratisches Mittel sind und für die Opposition häufig die einzige Möglichkeit ist, Einfluss zu nehmen, ist das Ausweichen auf Fragen einer Verwaltung beschämend. Sicher mag es Anfragen geben, die einer eventuellen Selbstprofilierung dienen. Das Übermaß ist es sicher nicht.
Wenn Fragen zusammengefasst werden, um Unangenehmes schnell vom Tisch zu haben und damit auch Fragen übergangen werden, zeigt dieses ein Bild von politischer Ignoranz gegenüber den Fragestellern auf. Politik wird damit degradiert und die eigene Hoheit einer Verwaltung auf ein Podest gestellt, die eines demokratischen Verständnisses unwürdig ist. Ähnliche Klagen hört man auch aus anderen Abgeordnetenhäusern wie Berlin oder Bremen. Politisch interessierte Menschen und Politiker sollten das Recht und die Erwartung haben, dass ein demokratisches Verständnis bereits bei Anfragen beginnt. Ausgewichen wird dann, wenn man etwas zu verbergen hat oder man das eigene Podest als die einzige Wahrheit ansieht. Transparenz sieht anders aus. „Wer, wie, was. Wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm“
Weg mit der #Agenda2010
Quelle: via @Altonabloggt, January 16, 2016 at 05:50PM
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