Sonntag, 29. Mai 2016

Wohlstand auf dünnem Eis (** blacklisted **)

Ein Prozent der Steuerzahler kommt für vierzig Prozent der direkten Bundessteuer auf. Bei den Firmen und bei den Vermögenssteuern ist das Verhältnis noch extremer.

** Beitrag blacklisted, sco.lt/7UFxpZ  **

Gemessen mit allen verfügbaren Massstäben, ist die Schweiz ein sehr wohlhabendes Land. Ihre Einwohner erwirtschaften pro Kopf und Jahr das sechsthöchste Bruttoinlandprodukt weltweit (ausgedrückt in US-Dollar). Dieser offensichtliche Wohlstand weckt allerhand sozialpolitische Begehrlichkeiten. Er wird sozusagen als gegeben vorausgesetzt. Doch woher kommt der Reichtum der Schweiz überhaupt? Wer erwirtschaftet diesen?

Ein guter Gradmesser für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einzelner Gruppen ist die von ihnen zu tragende Steuerlast. Sieht man sich die Bundesfinanzen an, so zeigt sich, dass heute 28 Prozent aller Steuerpflichtigen zu ­wenig verdienen, als dass sie die direkte Bundessteuer auf ihr Einkommen entrichten müssten (Grafik 1, oben rechts). Daten aus dem ­Kanton Zürich belegen, dass 10 Prozent der Steuerpflichtigen zudem auch keine kantonale Einkommenssteuer bezahlen.

Wie klein die Schicht ist, welche den Wohlstand in der Schweiz erwirtschaftet, lässt sich an der statistischen Verteilung der direkten Bundessteuer auf Einkommen der Privaten und auf Gewinne der Unternehmen ablesen. Beide Quellen tragen mit rund neun Milliarden Franken erheblich zu den Einnahmen des Bundes bei. Doch wer bezahlt wie viel bei den Bundessteuern? Unterteilt man die Steuerzahler in Gruppen, beispielsweise nach Promille, Prozenten oder Dezilen (Gruppen mit jeweils 10 Prozent der Steuerzahler), und sortiert diese nach ihrem Steuerbetrag, dann ergibt sich ­folgendes Bild: Bei den Privaten (Grafik oben rechts) kommt das oberste Promille der Steuer­pflichtigen für 16,45 Prozent der Steuer­ein­nahmen auf, die nächsten 9 Promille für weitere 24,56 Prozent. Mit anderen Worten: Ein Prozent der Steuerzahler finanziert mehr als 40 Prozent des Steuerertrags. Bei den Unternehmen (mittlere Grafik links) ist die Verteilung noch extremer. Hier zahlt das oberste Promille, also wenige hundert Firmen, 54,98 Prozent der ­direkten Bundessteuer.

Die Hälfte zahlt keine Vermögenssteuer
Wie ist die Lage bei den Vermögenssteuern, die nicht beim Bund, sondern meistens bei den Kantonen und Gemeinden anfallen? Eine Auswertung im Kanton Zürich zeigt beispielhaft, dass 60,9 Prozent aller Steuerpflichtigen keine kantonalen Vermögenssteuern zahlen. Der Löwenanteil der Abgabenlast konzen­triert sich auch hier auf einen sehr kleinen ­Prozentsatz von Personen (mittlere Grafik rechts). Diejenigen im obersten Vermögensprozent zahlen zusammen 278 Millionen Franken an Vermögenssteuern. Bei den folgenden vier Vermögensprozenten summiert sich die Vermögenssteuer noch auf 95 Millionen Franken, und der ganze Rest bezahlt so gut wie nichts.

Dies bedeutet nicht, dass im Mittelstand und bei Geringverdienern keine Steuern an­fallen. Ökonomen des Think-Tanks Avenir ­Suisse haben analysiert, wie hoch der Durchschnittssteuersatz für die verschiedenen Einkommensklassen ist (Tabelle unten). Das Ergebnis: Wenn man zu den 20 Prozent mit den höchsten Einkommen gehört, dann wird das Einkommen durchschnittlich mit 48 Prozent besteuert. Bei den untersten zwanzig Prozent sind es 36,8 Prozent. Das mag zwar für einkommensschwächere Haushalte mehr ins ­Gewicht fallen, allerdings werden hier die eingezahlten Steuern durch ­Sozialtransfers teilweise wieder ausbezahlt. Die Analysen von Avenir Suisse zeigen, dass sich bis weit in den Mittelstand die bezahlten Steuern und die erhaltenen Sozial­transfers so ziemlich die Waage halten – Prämienverbil­ligungen der Krankenkasse und Subventionen für Kinder­krippen haben daran einen erheb­lichen Anteil. Es sind also tatsächlich nur relativ wenige, die netto mehr einbezahlen als sie heraus­bekommen.

Steuersätze bis zu 57,6 Prozent
Wie weit die Zitrone bereits ausgepresst ist, zeigt sich auch beim Grenzsteuersatz. Dieser zeigt an, wie gross der Anreiz ist, ein höheres Einkommen als das derzeitige zu erzielen. Beträgt der Grenzsteuersatz, wie bei den untersten zwanzig Einkommensprozenten, 36,8 Prozent, so wird ein zusätzlich verdienter Franken mit 36,8 Rappen besteuert. Beträgt er aber, wie bei den obersten zwanzig Prozent, 57,6 Prozent, so wird ein zusätzlich eingenommener Franken mit 57,6 Rappen besteuert. Eine noch stärkere Besteuerung der Leistungsträger, beispielsweise für ein ­bedingungsloses Grundeinkommen, würde den Grenzsteuersatz noch weiter nach oben treiben und damit die Arbeitsanreize bei ­denjenigen zerstören, auf die es besonders ankommt.

Als gedankliches Gegenexperiment: Was würde passieren, wenn die einkommenstärksten 10 Prozent der natürlichen und juristischen Personen zum Schluss kämen, dass sie den Karren nicht länger ziehen möchten? Die Auswirkungen in Zahlen: Auf Stufe Bund ­wären 6,67 von 8,48 Milliarden Franken an Einkommenssteuern auf einen Schlag dahin. Die Gewinnsteuer ­würde von 8,43 Milliarden Franken auf 269 Millionen Franken dezimiert. Im Kanton Zürich würde die Vermögenssteuer von 443 Mil­lionen Franken auf 34 Millionen Franken einbrechen. Der Ertrag aus der kantonalen Einkommenssteuer ginge von 3,08 Milliarden Franken auf 1,43 Milliarden Franken zurück.

Ohne ihre obersten 10 Prozent wäre die Schweiz buchstäblich arm dran.

Weg mit der #Agenda2010

Quelle: via @Weltwoche, May 29, 2016 at 10:57PM

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