Wir sind im hessischen Hofheim. 45.000 Rentner leben hier. Jeder zehnte ist am finanziellen Limit. Kleine Rente, hohe Mieten und Lebenshaltungskosten. Eine Misere, in der auch Michael Schirdewan steckt. Wohnung und Nebenkosten verschlingen den Löwenanteil seiner Rente. Sind die Fixkosten weg, bleiben nur noch 300 Euro im Monat zum Leben: "Dann wird es dann halt schon manchmal eng. Deshalb such ich ja einen kleinen Nebenverdienst." Ein Minijob auf 450-Euro-Basis. Das wäre optimal für den 75-Jährigen. Doch welcher Arbeitgeber bietet so etwas für Rentner? In der Zeitung gibt es nur magere zwei Stellenangebote. Ein Job in einer Waschanlage und mobiler Früchteverkauf. Extra für Rentner. "Das wäre was für mich", meint Schirdewan. Er fahre gerne Auto und sein Orientierungssinn sei gut.
Arbeitgeber nutzen die Not aus
Doch welche Tätigkeit steckt wirklich dahinter? Der Arbeitgeber erklärt: "Unser Fahrer bringt sie morgens in irgendeine Ortschaft im Umkreis von 200km und da verkaufen Sie dann Obst von Haus zu Haus. Wir geben Ihnen 20 Prozent Ihrer Tageseinnahmen. Bar auf die Hand." Ein Job ohne schriftlichen Arbeitsvertrag und ohne den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn von 8,50 Euro. Dieses Angebot zeigen wir dem Arbeitsrechtler Peter Schüren. Er kennt solche Anzeigen für Rentner zur Genüge. Oft steckt Schwarzarbeit dahinter: "Warum es häufig vorkommt? Weil wenig kontrolliert wird und der soziale Druck nicht so groß ist. Das wird sich in dem Moment ändern, wenn die Arbeitgeber, die sowas machen, kräftig eins auf die Finger bekommen. Das heißt wenn scharf durch gegriffen wird, kontrolliert wird, Bußgelder verhängt werden."
Tatsächlich aber kommt der Zoll mit seinen Kontrollen kaum hinterher. Immer mehr Rentner drängen auf den Arbeitsmarkt und nehmen alles an, was Ihnen geboten wird. Waren es 2003 noch 352.000 Senioren mit Job, sind es nun bereits 767.000, also mehr als doppelt so viele. Und diese Zahlen steigen weiter an. Vor allem Frauen suchen im Alter häufig einen Nebenjob. Sie haben die niedrigsten Renten, und diese Not nutzen Arbeitgeber gerne aus. Die Rentnerin Irmgard Müller hat eine ganze Reihe ausbeuterischer Minijobs hinter sich. Aus Scham und Angst vor Repressalien will sie ihr Gesicht nicht zeigen: "Je mehr sie das Geld brauchen, umso mehr Stunden arbeiten sie für wenig oder nichts, fast nichts. Mit 8,50 Euro brauchen sie nicht zu rechnen. 4,5,6. Mehr nicht."
Demütigende Erfahrungen für Rentner
Als Spülkraft in einer Großküche verdient sie 6 Euro die Stunde ohne Arbeitsvertrag. Wer sich beschwert, fliegt raus. In einer Druckerei faltet sie Prospekte am Fließband für 5 Euro die Stunde. Wie ist das möglich in Zeiten des Mindestlohns?[...]
Weg mit der #Agenda2010
Quelle: via @Hoelderlin, May 14, 2015 at 02:24AM
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