Sonntag, 6. Dezember 2015

Asyl 1 und Asyl 2

Liebe Freunde –
ich möchte hier einen kurzen Bericht über meinen Zustand geben:
Nachdem ich nach 132 Tagen des Hungerns in der Kirche aufgenommen worden bin, habe ich wieder angefangen zu essen und regeneriere mich langsam. In meinem Körper fühle ich mich wohl, halte aber noch keine Belastungen aus. Kurz: die Teilnahme an den Vorträgen von Daniela Dahn und Johannes Stüttgen haben meinem Geist zwar sehr sehr gut getan, meinen Leib aber mächtig angestrengt.

Das Asyl wurde am 30.11. beendet, da ich seit dem 01.12. wieder Hartz IV beziehe. Das Amt hat stillschweigend auf eine mögliche weitere Sanktion verzichtet und versucht zur Zeit, mein Leben zu schonen, obwohl es keine Gesetzesgrundlage dafür gibt! Jedenfalls nicht für einen Menschen wie mich, der sich vorgenommen hat, den Staat an seine eigenen Grundsätzen zu messen und ihn an seine Ideale zu erinnern.

Ich möchte mich hiermit zutiefst bei der evangelischen Kirchengemeinde bedanken, die mir durch das Asyl so freimütig weiter geholfen hat. Für MICH war es bedeutend, dass es dabei nicht so sehr um den Schutz meines Lebens, sondern mehr um eine Unterstützung meines Widerstandes ging.

Alles ist im Fluss. Jetzt bin ich wieder in meiner Wohnung – aber auch dort hat sich einiges verändert:

Am 04.12. hat unsere Regierung beschlossen, im Krieg in Syrien mitzumischen. Meine Empörung darüber brauche ich glücklicherweise nicht weiter auszuführen, nachdem Sahra Wagenknecht und Willy Wimmer sich so treffend dazu geäußert haben (s. hier: [1] und hier: [2]). Anzufügen ist nur, dass (auf eigentümlich verworrenen Wegen) zum selben Zeitpunkt eine vom Lageso in die Obdachlosigkeit entlassene irakische Familie mit 4 Kindern von 2 bis 15 Jahren bei uns gestrandet ist.

Es ist ein eigentümliches Spannungsfeld: auf der einen Seite die Eiseskälte unserer konsequent undemokratisch, verfassungs- und völkerrechtswidrig agierenden Regierung mit all ihren tüchtigen Wirtschafts- und Rüstungs-Lobbyisten im Rücken und all den schrecklichen Folgen ihres üblen Wirkens in der Welt – und auf der anderen Seite die seelische Wärme, die sich im unmittelbaren Kontakt mit Menschen in tiefster existenzieller Not ergibt.

Irgendwie (auch) ein Weihnachtsmotiv.

Berlin am 06.12.2015,
Ralph Boes
  


Weg mit der #Agenda2010

Quelle: via @Die Wuerde des Menschen, December 06, 2015 at 11:33PM

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